Freitag, 2. Februar 2018

Hat Gott keinen Plan? Gibt es eine ewige Verdammnis? Wie wichtig ist die Bibel?

Zu diesen Themen findet man im Ideaspektrum 4.2018 zwei interessante Themen von Herrn Manuel Schmid, ICF-Pastor (Gott hat keinen  Plan für dein Leben!) und dem reformierten Theologieprofessor Rolf Wischnath (Das barmherzige Gericht Gottes).

Dies hat mich sehr bewegt. Nach einigen Tagen stellte ich folgende Gedanken zusammen:

Interessant, was Herr Manuel Schmid, ICF-Pastor schreibt. Es erinnert mich an John Lock (1632-1704), der aus einem puritanischen Familie stammte und traditionelle reformierte Theologie säkularisierte. Damit förderte Lock eine wichtige Grundlage für Ordnung und Freiheit aus der Bibel. Aber die Säkularisierung bedeutet immer auch ein Verlust von der gesamten Vielfalt der Bibel. Seine Philosophie verlor durch die Säkularisierung eine gewisse biblische innere Folgerichtigkeit.

Prinzipiell scheint mir eine Theologie oder eine Philosophie, die eine Brille darstellt, wie man die Bibel liest, problematisch. Diese Kritik möchte ich auch an den reformierten Theologen Rolf Wischnaht anbringen. Auch ich hätte gerne, dass schlussendlich alle Menschen in den Himmel kommen würden. Aber es ist nicht massgebend, was ich möchte, sondern was Gott offenbart hat. Ob dann Gott neben seinen Zusagen noch grosszügiger ist, ist seine Sache. Wir sollten uns hüten, mehr zu lehren, als Gottes Wort uns verspricht, sonst könnten wir schuld sein, dass jemand das ewige Heil verpasst: Denn hier und jetzt entscheidet sich, wie wir die Ewigkeit verbringen werden: Wir haben die Wahl: Entweder Freiheit und Gnade in Christus oder die gerechte ewige Strafe für uns. Entweder machen wir uns hier und jetzt auf den Weg der Gnade, Liebe und Barmherzigkeit in Christus oder aber wir verhärten und verrohen bis in alle Ewigkeit. Wenn wir die Gnade Gottes ablehnen und stattdessen die Werkgerechtigkeit oder die selbstsüchtige Gesetzlosigkeit wählen, werden wir uns in uns selber verlieren und beim Jüngsten Gericht wird unser Gewissen zu einem lodernden Feuer, das in der Ewigkeit nicht gelöscht werden wird.

Die Bibel - Altes und Neues Testament - ist Gottes Wort und legt sich selber aus. Wie jedes Buch hat es auch die Bibel verdient, dass man dieses Buch der Bücher so liest, wie es der Schriftsteller gemeint hat: "Ein Text sagt das, was der Autor sagen wollte." (Prof. E. D. Hirsh, geb. 1928). Ich weiss, das ist nicht Postmodern. Aber Postmodern ist oft antiintellektuell und  manchmal sogar irrational. Da es sich bei der Bibel um Gottes Wort handelt, ist es noch wichtiger, dass wir ständig dem nachgehen, wie es Gott gemeint hat. Jesus selber bezieht sich extrem auf das Alte Testament, wenn er sagt "gegrapta", was bedeutet: Es steht (in der Bibel) geschrieben. Und Jesus war es, der dafür sorgte, dass die zwölf Apostel, die Augenzeugen, die Bibel durch das Neue Testament ergänzten und endgültig für uns vollendeten. In diesem Sinne ist das AT und NT die apostolische Sukzession und unsere Autorität, da durch diese Bibel Gott zu uns spricht. So wie sich Jesus der Heiligen Schrift unterordnete, weil es Gottes Wort ist, sollten wir das auch tun. „Denn die Schrift ist die Schule des Heiligen Geistes.“ (1) Wir werden so das Maximum an möglichem Wissen über Gottes Willen erfahren. Damit haben wir hier auf dieser Erde das ganze Leben zu tun. Kein Theologe wird hier je zu Ende damit kommen. Dabei werden wir auf Antinomien treffen, wie die Dreieinigkeit Gottes, Prädestination und unsere Verantwortung, Gottes Allmacht und unsere Freiheit usw.

Es wird komplexer als die determinierte Theologie des offenen Theismus oder eine an die menschlichen Grenzen angepasste reformierte Theologie (was dann eigentlich keine „klassische“ reformierte Theologie mehr ist.) es je erfassen könnte. Daher konnte Manuel Schmid auch nicht John Piper in seiner Komplexität kritisieren. Schmid hat die calvinistisch-baptistische Theologie von Piper - und damit eine reformierten Theologie - nicht in seiner Komplexität verstanden, weil sein offener Theismus Gott in unser menschliches Denken determiniert. Ich finde die angebrachte Kritik an Piper als unfair, denn erst wer den anderen richtig verstanden hat, kann wirklich gut und für alle gewinnbringend kritisieren. Vielleicht sollte man zuerst das Buch Donald A. Carson „Ach Herr, wie lange noch?“ lesen. Der Kollege von John Piper stosst tröstend unser Denken in Richtung Allmacht Gottes auf. Piper selber hat einfache und gute Bücher geschrieben: Zum Beispiel: Überwältigt von Gnade, Aurelius Augustinus, Martin Luther, Johannes Calvin oder Standhaft im Leiden John Bunyan, William Cowper, David Brainerd oder Beharrlich in Geduld, John Newton, Charles Simeon, William Wilberforce.

Denn es ist sehr tröstlich, dass Gott allmächtig ist und auch die schlimmsten Umstände in Händen hält. Gott mag heute das Böse „nur“ beschränken – bis er dann am Jüngsten Gericht alle Dinge wieder herstellt. Für seine Leute soll aber alles in diese Zwischenzeit zum Segen dienen, sogar Unverständliches, das Angesicht der Allmacht Gottes doch einen verborgenen Sinn hat. Letztendlich ist auch die biblische Prädestinationslehre ein Mittel von Gott, um uns in dieser Zwischenzeit zu trösten, weil es uns ermutigt, uns nicht auf uns oder andere Menschen, sondern alleine auf Jesus Christus zu verlassen. Die biblische Prädestinationslehre führt uns – wie das gerechte Gesetz Gottes – direkt in die Arme von Jesus Christus, weil wir dann alles von ihm und nicht von uns erwarten. Denn wir können es nicht, obwohl wir voller Güte und Liebe sein sollten.

Zugegeben: Der lebendige Gott ist für unseren Verstand nicht ganz fassbar, vielmehr fasst er uns ganz. Aber so muss es auch sein, wenn wir dem lebendigen Gott und nicht einem selbstgebastelten Götzen nacheifern wollen. Ole Hallesby, ein nun verstorbener norwegischer lutherischer Theologe, beschreibt genau diese Erfahrung, als er als liberaler Theologe bemerkte, dass es Gott wirklich gibt: Sein selbstgemachter Götze war absolut verständlich. Nach seiner Bekehrung verstand er Gott nicht mehr in allen Punkten, dafür konnte er ihn nun wirklich anbeten.

Ich wünsche mir Theologen, die anstelle Eisegese gute Exegese ausarbeiten und so Gottes Volk inspirieren. Solche Theologen können und müssen nicht alles Wissen, weil sie selber ständig am Lernen sind und weil Gott nicht alles offenbart hat. Johannes  Calvin sprach daher von einer „wohlgelehrten Unwissenheit“ (Institutio III,21,2).

Könnte es sein, dass die heutige Theologie in einem ähnlichen Zustand ist, wie am Vorabend der Reformation?

André Gujer, 2.2.2018

Anhang

(1) Johannes Calvin, Insitutio III, 21,3

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