Sonntag, 23. November 2014

Duales System Antinomie

Es ist interessant, wie wir Menschen im Westen dazu neigen, alles unter unseren Verstand abzusummieren. Obwohl die verschiedenen Menschen mit ihrer jeweiligen Logik zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, glauben wir, dass der menschliche Verstand fähig sei, alles richtig zu erfassen, zu durchdenken und zu bewerten.

In der Individualpsychologie versucht man mit Fragen diese persönliche Logik aufzudecken. Dadurch kann offensichtliche Fehlschlüsse erkannt und bereinigt werden. Doch im Zusammenhang mit Gott, machen dies die Wenigsten. Hinzu kommt noch, dass sich Gott durch die Bibel als einen Gott zeigt, der das Verfassungsvermögen des menschlichen Verstandes übersteigt.

Da wir unseren Verstand über Gottes Wort stellen, führt dies regelmässig dazu, dass wir Gott sagen, wie er zu sein hat – nach unserer persönlichen Logik. So habe sagen Arminianer, es könne nicht sein, dass Gott allmächtig und der Mensch verantwortlich sei, nur, weil wir es nicht zusammenbringen. Aber selbst das Licht, das ja nur eine Schöpfung Gottes ist, und nicht Gott selber, verhält sich ebenso für unseren Verstand gegensätzlich: Ist es nun ein „Teilchen“ oder eine „Welle“? Eigentlich müssten wir einsehen, dass es Antinomie gibt (1) und wenn wir diese Realität nicht nehmen wie sie ist, lösen wir nicht den Knoten, sondern machen ihn kaputt. Dabei müssten wir beide Realitäten akzeptieren, anstelle sie zu zerstören.

Genauso ist es mit der Dreieinigkeit Gottes und der Persönlichkeit von Jesus Christus: Jesus ist zu 100% Mensch und zu 100% Gott. Jesus ist der Sohn UND wesensgleich mit Gott dem Vater, denn wer den Sohn sieht, hat den Vater gesehen. In Berlin hatte ich eine interessante Diskussion mit einem Ehepaar, die für die Zeugen Jehovas warben. Sie betonten sehr stark die menschliche Seite von Jesus und den Unterschied zu Gott dem Vater. Dabei zeigten sie mir auch Johannes 1,1, wo es in ihrer Uebersetzung heisst, dass Jesus „ein“ Wort Gottes sei. Dabei steht im Urtext: „ho Logos“, also "DAS Wort". Völlig rational erklärten sie, dass Jesus ein weniger grosser Gott als Gott den Vater sei. Sie behaupteten, Jesus sei Gott ähnlich und Gott. Worauf ich sie darauf aufmerksam machte, dass wir Menschen als Ebenbilder Gottes, Gott ähnlich seien.
Vermutlich meint dies auch Jesus, wenn er im Johannes-Evangelium sagt, dass wir Menschen Götter seien. Daneben diskutierten wir noch über die anderen Götter, die ja eigentlich keine Götter sind. Auf jedenfall ist der Begriff Gott im engeren Sinn nur für den lebendigen Gott zu gebrauchen. Und dieser wird in der Bibel, besonders im Neuen Testament, als Dreieiniger dargestellt: Drei Personen und doch einer. Das bringt man natürlich mit unserem menschlichen Verstand nicht zusammen. Ich glaube aber, wenn wir dieses Geheimnis mit unserem Verstand zu lösen versuchen, werden wir etwas, was Gott uns offenbart hat, zerstören: Denn Jesus Christus hat sich als Mensch UND Gott für uns am Kreuz geopfert. Dadurch führt die „Verkleinerung“ oder „Erniedrigung“ von Jesus zu einer kleineren Gnade. Mein Gesprächspartner meinte zwar, dass sei nicht so. Wie das für ihn persönlich ist, kann ich natürlich nicht beurteilen. Es besteht die Möglichkeit, dass er sich tatsächlich alleine auf Christus verlässt und dann ist er gerettet, auch wenn die anderen Lehren nach meiner Meinung eine Irrlehre ist. Aber auf jedenfall führt die konsequente Umsetzung dieser „Erniedrigung“ von Jesus zu einer kleineren Gnade. Damit bietet es Raum für unser egoistisches Verlangen etwas zu produzieren, worum uns Gott lieben müsse. Die daraus entstehende Religiosität wird uns zu Leistung antreiben, anstelle alleine auf Christus zu vertrauen. Das erzeugt Druck. Dieser Druck wird gerne von Machteliten ausgenutzt um zu manipulieren und Machtmissbrauch zu tätigen. Damit können sie Menschen kontrollieren oder gar versklaven.

Im Prinzip können wir das gleiche von den Arminianern sagen, obwohl diese weniger irrlehrig sind, da viele Arminianer keine konsequenten Arminianer sind (2). Gerade vor wenigen Tagen hat mir ein Prediger gesagt, dass Calvinisten dazu neigen, nichts zu tun. Da sei doch eigentlich die arminianische Lehre – obwohl sie nicht wahr ist – besser, weil sie zur Leistung antreibt. Gott bewahre uns davor! Jesus Christus ist am Kreuz gestorben, damit wir aus Gnaden, d.h. aus einem reinen Geschenk von Gott errettet werden. Dies mit Leistung zu ergänzen, bedeutet, dass wir das Opfer von Christus erniedrigen. Wir machen aus einem Geschenk ein Leistungsdruck! Dabei sollten wir schmecken, wie lieb uns Gott der Vater hat. Er hat seinen Sohn, Gott der Sohn, für uns ans Kreuz gehen lassen. Das übernahm Jesus aus Gehorsam: Er liebt uns, so sündig wie wir sind. Als von Gott erwählte werden wir BEDINGUNGSLOS von Gott geliebt. Wenn uns dieses Bewusstsein immer grösser wird, dann werden wir dankbar und beten Gott wirklich an. Und das ist doch unser Lebenssinn, der uns wirklich Freude macht! Gott alleine die Ehre geben! Wer es erlebt hat, weiss, was ich meine! Was für eine Ehre, die uns Gott da schenkt.

Aus dieser Dankbarkeit, wenn wir in Christus bleiben, werden von alleine gute Früchte wachsen. Gott macht uns nicht fähig, gute Früchte wachsen zu lassen, sondern Gott schenkt uns die guten Früchte (3)! Und wenn wir Gutes tun, spielt es einfach keine Rolle mehr, dass es immer noch etwas Egoistisches daran hat, denn wir bitten dafür um Vergebung und wissen, dass Jesus auch dafür gestoben ist und alles in Ordnung ist. So können wir ohne Leistung in den guten Werken, die Gott vorbereitet hat, leben. Das ist, wie es Paulus einmal sagte, nicht gegen das Gesetz. Ich denke, es ist die Erfüllung des Gesetzes, die Jesus Christus schafft.

Wer hier weiter denkt, wird darauf stossen, dass mit dem Wissen der biblischen Prädestination (4), die Gnade, das Geschenk Gottes, alles überragt.

Gestern habe ich gehört, dass Gott die Welt dual geschaffen habe: Nacht und Tag, Mann und Frau usw. Es sei wie bei einer Steckdose, wo diese Spannung einen Kocher, einen Kühlschrank usw. antreibt. Das werde erst in Offenbarung 22 wieder aufhören. Ich weiss nicht, ob es korrekt ist, dass es aufhört, aber dort wird gesagt, dass das neue Jerusalem keine Nacht mehr kennen wird.

Auch die Antinomie setzte eine gewisse Dualität voraus, indem zwei Wahrheiten nebeneinander stehen, wie eben erklärt. Ich finde dies höchst interessant. Gott ist so gross. Wenn wir so an unsere Grenzen unseres Denkens kommen, kann ich nicht anders, als Gott dafür loben und preisen.Was für eine Freude, dass verstehen zu können und zu wissen, dass Gott noch viel grösser ist.
  

Anhang
(1)    „Die moderne Physik sieht sich bei der Untersuchungen des Lichts einer solchen Antinomie gegenüber. Es bestehen zwingende Beweise dafür, dass das Licht aus Wellen besteht, und ebenso zwingende Beweise dafür, dass es aus Korpuskeln besteht.  Es ist nicht ohne weiteres einzusehen, wie Licht sowohl aus Wellen als auch aus Korpuskeln bestehen kann, doch ist es erwiesen, und somit kann keine der beiden Anschauungen zugunsten der andren ausgeschlossen werden. Ausserdem kann keine auf die andere zurückgeführt oder mit deren Terminologie erklärt werden. Die beiden scheinbar unvereinbaren Standpunkte müssen aufrechterhalten und jeder für sich als zutreffend behandelt werden. An einer solchen Notwendigkeit nimmt unser an den Gesetzen der Logik geschultes Denken zweifellos Anstoss; es lässt sich jedoch nichts daran ändern, wenn wir den Tatsachen Rechnung tragen wollen. Daraus geht also hervor, dass eine Antinomie nicht dasselbe ist wie ein Paradox. Ein Paradox ist eine Redefigur, ein Wortspiel. Es stellt eine Aussageform dar, die zwei gegensätzliche Gedanken zu verbinden oder durch eben die Worte zu leugnen scheint, mit denen sie etwas bekräftigen will. Viele Wahrheiten des Christenlebens können paradox formuliert werden. Im Gebetbuch der Anglikanischen Kirche zum Beispiel heisst es, dass ‚Dienst (Gottes) die vollkommene Freiheit‘ ist; der Mensch wird frei, indem er zum Diener wird. Paulus führt verschiedene Paradoxe aus seiner eigenen Erfahrung als Christ an: ‚betrübt, aber allezeit fröhlich … Leute, die nichts haben und doch alles besitzen‘; wenn ich schwach bin, so bin ich stark‘ (2. Kor. 6,10; 12;10). Das Entscheidende an einem Paradox ist jedoch, dass nicht die Tatsachen, sondern die Worte den scheinbaren Widerspruch hervorrufen. Der Widerspruch besteht in Worten, aber nicht in Wirklichkeit, und bei etwas Ueberlegung zeigt sich, wie er beseitigt und die gleiche Aussage ohne Paradox formuliert werden kann. Mit anderen Worten, ein Paradox ist immer entbehrlich, wie  die obigen Beispiele zeigen. Im Gebetbuch könnte auch stehen, dass diejenigen, die Gott dienen, von der Herrschaft der Sünde befreit sind. In 2. Kor. 6,10 hätte Paulus sagen können, dass die Traurigkeit über bestimmte Dinge und die Freude in Gott in seinem Leben stets nebeneinander existieren und dass er auch ohne Besitz und Bankkonto das Gefühl hat, dass alles ihm gehört, weil er Christi Eigentum und Christus der Herr über alles ist. Desgleichen hätte er in 2. Kor. 12,10 sagen können, dass der Herr ihn dann gerade am meisten stärkt, wenn er sich seiner eigenen Schwachheit am deutlichsten bewusst ist. Solche nicht-paradoxen Formulierungen wirken neben den Paradoxen die sie ersetzen sollen, plump und farblos, haben aber genau die gleiche Bedeutung. Bei einem Paradox geht es eben nur darum, wie man die Worte gebraucht Die Anwendung eines Paradoxes ist ein interessanter, sprachlicher Kunstgriff, schliesst aber nicht die Spur eines Widerspruchs in der Aussage ein, die wir damit machen wollen.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass ein Paradox immer verstehbar ist…..“ Es ist für das Gedächtnis gut und regt das Nachdenken an. 

„Dagegen ist eine Antinomie weder entbehrlich noch verständlich. Sie stellt keine Sprachfigur dar, sondern eine festgestellte Beziehung zwischen zwei Aussagen über bestehende Tatsachen. Sie wird nicht willkürlich geprägt, sondern uns von den Tatsachen selbst aufgezwungen. Sie ist unvermeidbar und nicht zu lösen. Wie können sie weder erfinden noch erklären. Man kann sie auch nicht irgendwie abtun, es sei denn durch Verfälschung eben der Tatsachen, die uns dazu führten.“

“Betrachten wir die beiden Grundsätze nicht als einander ausschliessende Alternativen, sondern als ein sich ergänzendes komplementäres Phänomen, das wir zur Zeit nicht begreifen können.“ (Seite 16 – 17 aus Prädestination und Verantwortung. Gott und Mensch in der Verantwortung von J. I. Packer) 

Vielleicht versteht heute jemand das Licht besser durch die Quantenphysik … Aber für die von Gott offenbarte Antonomie müssen wir – vermutlich – noch warten, bis Jesus Christus zum zweiten Mal kommt. 


(2)    Konsequente Arminianer würden bei der Evangelisation die Menschen zu überzeugen versuchen. Sie wären versucht, sie sogar zu manipulieren. Zudem würden sie nicht beten, dass der Heilige Geist sich ihnen offenbart oder dass sich ihr Wille für Gottes Geschenk öffne. Das sind alles biblische Wahrheiten, der der Calvinismus klar bekennt und sehr wichtig ist. Zudem gibt es uns auch einen gesunden „Lastenausgleich“. Wir sind verantwortlich Gottes Wort zu erzählen, aber Gott ist es, der die Bekehrung und die Willensänderung schenkt. Erfolg und Misserfolg liegt in Gottes Hand. Verstehen wir, dass  viele Arminianer, wenn sie beten, praktisch wie Calvinisten handeln, ohne dass sie es merken?

Selbst John Wesley mit seinen arminianischen Gedanken, offenbarte bei einer Diskussion mit einem Calvinisten, dass er in den wichtigen Dingen, calvinistisch dachte. Leider blieben gewisse problematische theologische Ansätze bei John Wesley. Aber seine anfängliche pointierte Ablehnung des Calvinismus – oder muss ich sagen, sein Versuch sich von George Whitefield zu emanzipieren? – wurde mit der Zeit geglättet. So musste John Wesely zum Beispiel lernen, dass auch wenn er als Bekehrter sündigt, immer noch Christ ist… Wir sind als Bekehrte Gerechte und Sünder zugleich, wie es Luther sagte.

(3)    Spurgeon sagt dies so schön in seiner Predigt „Das Geheimnis von Kraft im Gebet“ (s. hierzu auch auf diesem Blog, 20.11.14). Es geht um Johannes 15,7 und 8,31+31:

Wir hätten deshalb nun ganz natürlich erwarten können, jetzt von ihm zu hören, wie wir alle geistlichen Taten ausrichten vermögen. Aber der Herr Jesus sagt nicht: Ohne mich könnt ihr nichts tun, doch wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in Euch bleiben, so werdet ihr alle geistlichen Dinge und leiblichen Dinge tun können. Er spricht, jetzt nicht von dem, wozu die Seinen im Stande sein werden, sondern von dem, was an ihnen geschehen wird. „Es wird Euch wiederfahren.“ Er sagt nicht: „Es wird Euch genügend Kraft verliehen werden, zum Tun aller guten Werke, wozu Ihr ohne mich nicht imstande seid. Das wäre ja wahr genug und gerade die Wahrheit sein, welche wir hier erwartet hätten. Der Herr aber geht in seiner Wahrheit viel weiter. Und sagt etwas viel besseres.

„Ihr werdet bitten.“ Durch das Gebet werdet ihr zum Tun befähigt werden. Vor jedem Versuch etwas zu tun, sollt Ihr bitten. Das köstliche Vorrecht, das hier gegeben wird, ist ein mächtiger, den Sieg davon tragender Gebetsgeist. Die Macht des Gebets ist ein wichtiges Zeichen unserer geistlichen Stellung. Und wenn uns diese in einem hohen Grade gesichert ist, so sind wir im Blick auf alle anderen Dinge bevorzugt.

Einer der ersten Erfolge unserer bleibenden Bedingung mit Christus, wird also die Uebung des Gebets sein. Ihr werdet bitten, wenn andere nicht bitten, suchen, anklopfen."

(4) Es gibt natürlich auch Menschen, die glauben an die Prädestination und betonen dabei so die Allmacht Gottes, dass sie denken, dass sie nicht mehr beten sollen. Es geschehe ja sowieso, was Gott will. Es wird uns sofort auffallen, dass dies keine duale Betrachtung mehr ist, sondern eine eindimensionale. Es ist wie das Gegenstück jener, die glauben, alles hänge von uns Menschen ab. Die Realität, die uns die Bibel offenbart, ist aber um einiges komplexer.
Vor 500 Jahren hat bereits Johannes Calvin über solche "Prädestinationisten" gesagt:

"Es ist daher gar zu töricht, wenn jene Leute, um des Menschen Herz vom Beten abzuhalten, faseln, es sei vergebens, Gottes Vorsehung, die stets zur Hut aller Dinge auf der Wacht stehe, mit unserem störenden Schreien zu ermüden!" Calvin reagiert gar nicht nett, wenn er sagt:
"Ebensowenig sinnvoll ist auch das Geschwätz anderer, es sei überflüssig, um Dinge zu bitten, die der Herr doch aus freien Stücken zu gewähren bereit sei. Er will ja  gerade, dass wir erkennen, wie uns eben das, was er uns, aus seiner freien Güte zufliessen lässt, auf unsere Bitten hin gewährt ist! Das bezeugt uns ein denkwürdiges Psalmwort, dem noch viele ähnliche zur Seite treten: 

'Die Augen des Herrn merken auf die Gerechten, und seine Ohren auf ihr Schreien (Ps. 34,16). Hier wird Gottes Vorsehung gerühmt, wie sie aus freien Stücken darauf aus ist, für das Heil der Frommen zu sorgen, aber dabei wird doch zugleich die Uebung des Glaubens nicht beiseitegelassen, die alle Lässigkeit aus dem Herzen des Menschen austreibt. So wachen also Gottes Augen, um der Not von uns Blinden abzuhelfen; aber auf der anderen Seite will er auch unsere Seufzer hören, um seine Liebe gegen uns desto besser zu beweisen! So ist beides wahr: 
'Der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht' (Ps. 121,4) - und doch verzieht er auch, als hätte er uns vergessen, wenn er uns lässig und stumm sieht!" (aus Institutio III,20,3)

Argumentiert hier Calvin nicht auch dualistisch? Wie könnte man auch diese Bibelaussagen anders wiedergeben als mit den zwei Wahrheiten nebeneinander?

Donnerstag, 20. November 2014

Das Geheimnis von Kraft im Gebet von C.H. Spurgeon


Vorletzten Mittwoch Hauskreis war Filmabend.

Bevor wir alle möglichen Filme vorstellen konnte, zu denen spannende Action-Filme gehörten, hatte sich die Mehrheit für die Lebensgeschichte von C.H. Spurgeon entschieden.

Auf Google findet man in hier:

Hier handelt es sich um die englische Version, wir haben auf CD eine gekaufte Version geschaut. (Das finde ich gut, um die Filmemacher zu unterstützen.) Es gibt seine Lebensgeschichte auch in Deutsch auf Youtoub. Es ist sehr eindrücklich, nicht nur, dass er bereits mit 16 Jahren predigte und Tausende, ja Millionen mit seiner Predigt im 19. Jahrhundert erreichte. Auch sein soziales Engagement und sein Einsatz in der Theologie und der Ausbildung für Prediger.

Damals konnte man noch nicht im Fernsehen auftreten, aber vor grossen Menschenmassen. Das machte er seinem Vorbild  George Whitefield nach (allerdings ist Spurgeon ein calvinistischer Baptist, aber die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt der Taufe ist ja eine Nebenfrage.). Zudem schrieb er viel. Mit dem Verkauf seiner Bücher konnte er sich, seine Gemeinde u.a. unterstützen und sich Zeit nehmen, für Korrespondenz, die zum Teil seelsorgerlich waren. Jemand in unserem Hauskreis meinte, sie hätte gerne mehr von den Predigten von Spurgeon gehört. 

Das nahm nun ein anderer Hauskreisteilnehmer wahr, weil es ihn auch fasziniert hatte. "Seinen" Abend (wir teilen die Gestaltung der Hauskreisabend nach Interesse auf) mit einer Predigt von C.H. Spurgeon gestalten. Das war diesen Mittwoch. Und ich muss sagen, es war beeindruckend: 

Seine Predigt: "Das Geheimnis von Kraft im Gebet" ist einfach überwältigend. 

Ich habe auf diesem Blog immer wieder etwas von der Gnade geschrieben, wie sie ein freies Geschenk von Gott ist. Genau dies betont Spurgeon, aber er geht noch viel weiter. Während ich längere Zeit mich damit abmühte, diese unverdiente Gnade zu verstehen und zugleich jene Bibelstellen, die unsere Verantwortung verknüpfen, schafft es Sprugeon in dieser Predigt anhand des Gleichnisses von Jesus über den Weinstock mühelos, dies zu erklären. Dabei greift er in eine Fülle geistlicher Wahrheiten, die ich bis heute noch in keiner Predigt gehört habe. Dies bestätigten gestern im Mittwoch-Hauskreis auch alle. (Zum Teil hat es mich eher verwirrt, was gewisse predigten und Erklärungen anbelangte, als das es dienlich war. Andere wieder brachten mich auf die richtige Spur. Aber ich glaube niemand konnte es so deutlich und klar sagen wie Spurgeon. Gut, bei Calvin und Luther, Augustin und anderen habe ich in diese Richtung eine theologische Abhandlung gefunden. Aber diese Predigt war das erste Mal, dass  ich eine Predigt in so "moderner" Sprache darüber gehört habe. Das geht für mich Otto Normalverbraucher einfacher hinein... Und es war eine riesige Freude zu hören, wie die Gnade so verherrlicht wird. Obwohl ich sie als theologisches Konstrukt bereits begonnen habe zu verstehen, wird es so lebendiger und greifbarer.)

 Jemand meinte, die Bilder in der Preidt, die er verwendet, habe sie besonders angesprochen. Es ist Kunst der Sprache und ich dürfe ja nicht dazu Bilder - zum Beispiel mit einer Power-Point-Präsentation, machen. Es sei wichtig, dass die Worte in ihr die Bilder machen.

Zugleich ist es für uns moderne Menschen, die es gewohnt sind, schnell etwas aufzunehmen und wieder etwas Neues aufzunehmen (und manchmal auch die Zusammenhänge vergessen - also Mühe haben verknüpft zu denken, auch etwas gewaltig,) eine 3/4 h lang eine zusammenhängende Predigt zu hören. Heute würde man wohl mit diesem Stoff drei oder vier Predigten machen. Allerdings glaube ich nicht, dass der Inhalt oft in vier Predigten erwähnt wird: Da ist keine Spur des Wohlstands-Evangelium, sondern auch das natürliche Leiden als Christen wird erwähnt, damit wir Gottes Herrlichkeit erleben können. Es geht auch nicht um Leistung oder hochmütige Selbstverbesserungsversuche. Spurgeon ist wirklich genial. Und durch seinen Lebensbericht weiss ich, dass ihm das nicht einfach in den Schoss gefallen ist: Er nahm sich lange Zeit, betete, verwarf eine Predigt und begann neu, bis er merkte, dass er es hatte und der Heilige Geist ihn führte. Dann sprudelte es nur so. Und das merkt man in dieser Predigt.

Einige Punkte in der Predigt hatte ich schon früher einmal gehört: Zum Beispiel, dass das Gebet wie unser Atmen sei, wenn wir in Christus sind. Und auch dieser Begriff in Christus sein, erklärt er wunderbar. Ich habe dies ebenfalls einmal versucht zu erklären - und wenn ich etwas erkläre, lerne ich gleichzeitig. Es ist also nicht etwas, was ich schon vollkommen verstanden hätte. Daher brachte mir dann der Einwand, man könne doch als Christ nur "in Christus-sein" etwas durcheinander. Aber Spurgeon nimmt dies sehr gut auf, indem er erklärt, dass wir Christen zuerst wie Babies (Buschis sind) sind. Der Reifungsprozess an der Rebe ist ein Wachstum. ABER eben kein Wachstum, dass uns besser macht. Wir sind immer noch nichts, weil alles ein Geschenk von Gott ist. An anderer Stelle sagt er dann zwar, dass man so wertvoller wird als 10'000 anderer Christen, aber das versteht er nicht als Leistung, auch nicht als Hochmut (darauf geht er auch sehr gut ein) - sondern was Gott aus uns macht, wenn wir in Christus bleiben. UND, was wichtig ist: Wir haben immer alles in Christus (wie ich sagen würde, aber Spurgeon sagt es genialer). Daher gibt es gleichzeitig keinen Unterschied von uns Menschen, wir sind alle Sünder. Die einten sind errettet, weil sie die Vergebung von Christus wollen, die anderen habe die Vergebung nicht, weil sie diese nicht von Christus wollen. Und auch unter den Christen gibt es kein Unterschied: Es sind alle Gerechte und Sünder zugleich, wie Luther sagte. Und doch gibt es ein Unterschied: Es gibt Christen, die leben ein verknorztes Christenleben und das Gebet ist nur ein Muss. Wer aber - so wie er errettet wurde bei Christus bleibt - der wird vom Heiligen Geist angetrieben zu wachsen. Nicht das wir es könnten, wir können es nicht, aber Christus in uns, wenn wir in Christus sind, wird es tun. Das Wachstum erfahren wir als Christen also, indem wir lernen bei Christus zu bleiben.

Bei all dem moralisiert er in keiner Weise, sondern beschreibt unsere tiefsten Sehnsüchte, die wir in Christus gestillt bekommen, wenn wir denn in Christus bleiben. Wie wir in Christus kommen, ist klar: Zu Christus gehen. Und dann liegt es an uns Christen, dass wir in Christus bleiben, DANN tut es Christus (wobei letztendlich auch das in Christus bleiben Gott macht. Hier kommt wieder Gottes Allmacht und unsere Verantwortung zum Zuge.): Der Heilige Geist nimmt in uns Wohnung und kann unsere innerstes Verändern. Sobald wir aber nicht mehr in Christus sind, fängt das alte Lied an. Das erklärt ... und erklärt das freudlose, knorzige Christsein. 

Aber eben, am Besten reinhören. Ich werde es auch nochmals machen.

Montag, 17. November 2014

Berlin

Mich beeindruckte Berlin sehr.

Gestern kam ich von meinem ersten Besuch aus Berlin zurück. Eine eindrückliche Stadt. Ich war erstaunt, wie persönlich die Berliner sind, gar nicht so, wie man es von einer Grossstadt erwarten würde. Man erlebt wirkliche Begegnungen und man wird als Mensch wahrgenommen. Zeitweise kann die direkte Art erstaunen. Aber ihre frische und ehrliche Art gefiel mir sehr. Obwohl unser Aufenthalt von einer Nebeldecke überhangen war, war es ein schöne Zeit. Ich konnte viel sehen. Einige wenige Museen besuchen und zwei Kirchen besuchen: die Gedächtnis-Kirche und der Berliner Dom.

Ist es Zufall, dass am Brandenburger-Tor nur eine heidnische Göttin thront?
Vor dem Brandenburger-Tor, befindet sich der Pariser Platz. Als wir da waren, demonstrierte gerade Amnasty International für Mexiko. Die Sprechchöre waren für mich etwas sehr emotional und der später redende Mexikaner, mit seiner aufpeitschenden Art indem er überlaut einen (nicht verständlichen) Slogan schrie, erschreckte mich eher, als er auf das berechtigte Anliegen aufmerksam machte. Vielleicht war es auch das Bewusstsein, dass hier an diesem Ort mit solcher Rhetorik einst etwas ganz anderes erreicht werden wollte… Da las ich an einer grossen Wand mit Bildern von den Gräueln. Ganz offen und ehrlich wurde beschrieben, was damals geschehen war. Zum Beispiel: Da wurden einfach polnische Lehrer ins KZ gebracht, nur weil sie Polen waren. Zugleich war es auch gut, nun zu sehen, dass gerade an einem solchen Ort, die Meinung durch diese Demonstranten so geäussert werden konnten. Leider braucht es heute dazu auch ein Aufgebot von Polizisten. Das ist schade. Allerdings war alles friedlich und wir Touristen und die Demonstranten und die Geschichte und das Brandenburger-Tor und die Lämpchen, gaben eine eindrückliche Stimmung. Vermutlich war darum auch meine Frau so fasziniert und ich musste sie beinahe von diesem Ort wegziehen, da wir noch anderes vor hatten – dabei war sie vor gar nicht so langer Zeit noch müde…
Ueberhaupt bin ich erstaunt, wie gut die Deutschen ihre Vergangenheit aufgearbeitet haben: Ich kann Herrn Primor sehr gut verstehen, dass er am Sonntag, dem 16.11.14, am Volkstrauertag im Bundestag die Deutschen dafür lobte: Es gibt wohl kein anderes Land, dass Denkmäler baut, um sich an die Fehler der Vergangenheit zu erinnern.
Auch in der Gedächtniskirche Berlin ist dies so eindrücklich. Eigentlich steht ja nur noch ein Turm mit dem ehemaligen Eingang zur Kirche. Daneben hat man eine neue Kirche gebaut. Da fand ich ein Gebet, dass folgendermassen schliesst:

„Den Hochmut – der uns verleitet auf uns selbst zu vertrauen, nicht auf Gott,
vergib.“

Die einst herrliche Kirche ist nun „nur“ noch ein Mahnmal für den menschlichen Hochmut: Wie schnell war doch Deutschland zu einer Weltmacht geworden. Preussen erstand aus dem Nichts – noch Voltaire fragte sich, wie es möglich war, dass ein Ressourcen armes Land so mächtig sein konnte. Und es ging von der Zeit von Voltaire ja noch weiter hinauf. Der Berliner Dom zeugt davon. (Ich war ehrlich gesagt schockiert, wie ein calvinistisch geprägtes Haus wie die Hohenzollern ein solchen Prunk-Dom bauen konnten. Als einst ein Fürst sich für den Calvinismus entschied, zwang er seine lutherischen Untertanen nicht, ihm zu folgen. So war der Calvinismus in Berlin und Preussen eine Minderheit in einer lutherischen Mehrheit. Das ging ca. 200 Jahr gut, dann vereinigte man Lutheraner und Calvinisten in der Unierten Kirche. Doch die äusserlichen Merkmale des Luthertum scheinen dabei überragt zu haben: Auf jedenfall ist der Berliner Dom so prächtig, dass der Australier Christopher Clark in seinem Buch „Preussen, Aufstieg und Niedergang 1600 – 1947“ vom „überladenen, neobarocken Grössenwahn des Berliner Doms“ sprach (1) Ich dachte mir, Du musst Verständnis haben, diese für mich römisch-katholisch wirkende Kirche, spielt mit Bildern und Figuren und erzählt etwas. Interessant war dabei ein Mann, der den Berlinern erklärte, wie denn eine calvinistische Kirche aussieht: Ohne Bilder, mit Wänden, die vielleicht einen Bibelspruch haben. Soweit weg war die Bescheidenheit der Reformierten. Doch zugleich erzählen die Bilder auch vom Werdegang des Paulus: u.a. wie er vom hohen Ross geholt wurde.Und zudem erhöht sich das Verständnis für Wilhelm II, wenn man bedenkt, dass er nicht der einzige Herrscher war, der einen grossen Sakralbau errichtet liess. Zudem hat sich Wilhelm II keine Statue in der Kirche errichten lassen. Und der Lift für seine Frau war einfach zweckmässig. Und obwohl ich eher calvinistisch Denke, kann ich im Berliner Dom auch eine Schönheit sehen. Die Andacht, die jeweils um 18:00 Uhr stattfindet habe ich genossen. Das Orgelspiel und das Singen dazu war sehr schön. Auch der geistliche Input der Pfarrerin im schwarzen Talar war gut. Anhand der Wundertaten Gottes, die Gott mit Paulus und Barnabas machte (s. Apostelgeschichte), wollten die Menschen sie als Götter verehren. Paulus, der Redner wollen sie als Zeus erheben. Worauf die zwei Christen ihre Kleider verrissen und darauf hinwiesen, dass sie doch genau wie sie Menschen waren. Sie sollen Gott die Ehre geben und auf Gott vertrauen und ihm die Ehre geben. Die geistliche Wahrheit hinter den Wundern erkennen und sie nicht Menschen zuschreiben.

Noch vor dem 2. Weltkrieg konnte sich niemand vorstellen, zu was für Gräuel das Deutsche Reich fähig war. Es war doch das Land von Luther und Schiller, Goethe und Wissenschaft. Wie war es möglich, in so kurzer Zeit so mächtig zu werden und so zu fallen? Das eben erwähnte Gebet sagt es in aller Kürze:

„Den Hochmut – der uns verleitet auf uns selbst zu vertrauen, nicht auf Gott – vergib.“ Und damit ist es eine Warnung für uns alle – nicht nur die Deutschen. Wenn das Deutsche Reich soweit sinken konnte, dann können wir dies ebenso. Unsere Sündhaftigkeit braucht nur einen scheinbar plausiblen Grund, um sie ausleben zu dürfen – und dann besteht die ernsthafte Gefahr, dass wir es tun. In unserer Leere und unserer Liebesbedürftigkeit steigern wir uns dann in einen Hochmut, der uns blind macht. Einmal den Schritt getan, ist es sehr schwer, umzukehren. Denn dann muss man mit der erkannten Schuld umgehen können. Daher verdrängt man lieber, als das man hinschaut. Gerade darum ist Deutschland so erstaunlich: Sie schauen hin.

Warum können sie dies?

Es ist die Möglichkeit der Vergebung. Jesus Christus ist für meine Schuld, wie auch für die Schuld eines ganzen Volkes gestorben. Was die DDR nicht konnte, und darum sich nicht für das begangene Unrecht verantwortlich fühlte, konnte die BRD. Die DDR musste verdrängen – und war damit von den einstigen Taten gefangen. Damit war ihr Weg offen, ebenfalls Unrecht zu tun. Sie waren ja geübt zu verdrängen und die Wunden mit Wunschvorstellungen und Ideologie zu übertünchen. Es gibt heute auch andere Länder die dies tun… Es gibt sogar Länder, das wird man bestraft, wenn man die Wahrheit sagt, weil man nicht mit dem begangen Unrecht umgehen kann.

Zugleich ist es aber erstaunlich, dass auch in der DDR eine friedliche Revolution möglich wurde. Was hätte da alles geschehen können? Da muss man auch Gott danken und nicht einfach auf unsere Fähigkeiten vertrauen. War nicht alleine dieses Interview mit dem neuen starken Mann der DDR ein Wunder? Er wird nach dem eigentlichen Interview von
Der DDR-Bürger befreite sich: Dank sei Gott!
Journalisten gefragt und nochmals gefragt, bis er verkündet, man könne sofort ausreisen. Völlig verrückt, denn damit wurde der Druck der Ausreise so gross, dass Regierung der DDR entmachtet wurde und sich am Schluss dieses Prozesses die DDR auflöste. Das ist erstaunlich. Wie auch, dass Gott selber unsere Fehler am Kreuz übernommen hat und uns aus reiner Gnade annimmt. Gott tut Wunder. Wir mögen in einer gefallenen Welt mit vielen Problemen leben. Aber jeden Tag lässt Gott einen neuen Tag entstehen und lässt auf Gute und Böse Regen fallen – und am Ende wird er richten. Wir werden das erhalten, auf was wir vertraut haben. Darum lasst uns nicht auf uns, auf mich oder auf einen Götzen vertrauen, sondern auf den allmächtigen und liebevollen, wertschätzenden Gott, der auch morgen noch da ist, wenn alles andere vergangen sein wird! 
Neben der zerbombten Gedächtnis-Kirche wurde diese neue Kirche gebaut: Da steht ein nicht ausreichendes goldenes "Figürchen" für den besten Leiter der Welt, der ein wirklich guter Hirte ist! Der Retter dieser Welt!

Anhang

(1) Seite 644: „Auch in der Architektur und den bildenden Künsten war diese sich vergrössernde Kluft zu beobachten. Nehmen wir zum Beispiel den Kontrast zwischen dem überladenen, neobarocken Grössenwahn des Berliner Doms, der 1905 nach zehn Jahren Bauzeit vollendet wurde, und dem anmutigen, asketischen Protomodernismus der neuen Architekten (unter anderen Alfred Messel, Hans Poelzig und Peter Behrens). Ihre Arbeiten zwischen 1896 und 1912 entsprachen ihrer dezidierten Ablehnung des eklektischen ‚historischen Stils‘, den das offizielle Preussen bevorzuge.“ Es gab also schon damals, auch anderes. Zudem ist interessant, dass der Berliner Dom eigentlich für 20 Millionen Goldmark geplant war. Kaiser Wilhelm II wurden aber nur 10 Millionen Goldmark vom Parlament zugestanden. So legte Wilhelm 2 Millionen aus seinem privaten Besitz dazu. Daher wurde nicht der ganze Innenraum so prächtig, wie bei die Kanzel und das Gewölbe um den Abendmahl-Tisch (der da steht + lutherischer Altar: eben uniert). Für uns war natürlich die etwas einfacheren Wände schöner, als der Prunk, der einfach so viel ist, dass man es gar nicht alles fassen kann.

Interessant ist auch zu bemerken, dass das Parlament die Finanzen nicht generell gewährt hatte. Damit musste sich also selbst der Deutsche Kaiser dem Parlament fügen. Es war also nicht wirklich absolutistisch. Obwohl gerade dies in Charlottenburg zum Ausdruck kam: Da gibt es eine Kirche, dass es mich beinahe überschlagen hätte. Die Kanzel ist verhältnismässig einfach im Gegensatz zur ehemaligen Sitzstätte des Königs von Preussen in dieser Kirche des Schlosses Charlottenburg. Alles symbolisiert die Macht des Königs von Preussen, die er von Gott erhalten habe. Eine riesige goldene Krone prangt über den König, während die Kirchenbesucher sich in Anwesenheit des Königs nicht setzten durften. (Das war für mich alles tief beeindrucken, erschreckend und verwirrend. Wie war es möglich, dass aus einem Protestantischen, ja noch mehr aus einem calvinistischen Leiter so etwas werden konnte? (3))
Wir erinnern uns: Calvin betonte in Genf, dass alle Christen gleich sind: Nur die Funktion ist unterschiedlich und das eigentlich die Gemeinde den „Klerus“ wählt. (Die Gemeinde wählt die Pfarrer, die Diakone, den Aeltstenrat usw. Der Aeltestenrat (Mehrheit nicht Geistliche) kontrolliert die Angestellten und die Gemeindeglieder. Die Gemeindeversammlung kontrolliert den Aeltestenrat und die Angestellten. Warum? Damit kein Machtmissbrauch geschieht. Zugleich schauen alle auf Gott und fragen, was Recht ist. Dabei kommt dem Prediger eine besonders wichtige Funktion zu: Er muss die Wahrheit predigen! Zwingli sprach daher sogar von einem Pfarrer als Propheten, der unter Umständen auch durch seine Predigt Schwierigkeiten in Kauf nehmen muss, wie einst die Propheten.) Zugleich erklärte Calvin, dass es kulturelle Unterschiede gibt
. Und so konnte nicht alles in Genf umgesetzt werden. Aber immerhin musste der Bürgermeister von Genf seinen Stab, der ihn als Bürgermeister auszeichnete, zu Hause lassen, wenn er kirchliche Funktionen ausübte. Hier in dieser Kirche im Schloss Charlottenburg war nichts mehr davon zu sehen. Ganz im Gegenteil: Die Loge des Königs überprangert alles. Und auch der Museumsführer sprach davon, dass es sich um ein absolutistisches Verständnis handle, dass natürlich ein ideologisches Spannungsfeld zum Calvinismus hatte.
Er meinte allerdings auch, dass das Gehabe schon bald beendet wurde. Er dachte, das läge an der Aufklärung. Das wäre interessant, dem genauer nachzugehen. Auch, ob die Hohenzollern im Verlauf ihres Machtzugangs die reformierte Lehre vergassen – oder so modulierten, dass es zu ihrer Machtausübung passte. Zudem müsste man auch den Einfluss des Pietismus analysieren. Mindestens zwei Herrscher förderten diesen, wobei dann der Dritte den Pietismus dann ablehnte. Vermutlich ist die Realität recht komplex. Auf jedenfall, als Preussen in Deutschland aufging, ging alles sehr schnell. Es gab nur 3 Kaiser, wobei diese Drei alle zugleich im Jahr 1888 an der Macht waren, d.h. Wilhelm I starb 1888. Sein Sohn übernahm die Macht und starb im gleichen Jahr, so dass Wilhelm II den Thron besteigen musste. Wäre mehr Zeit gewesen – und hätte Wilhelm II nicht so stark seine Defizite kompensieren müssen, hätte aus dem Deutschen Reich auch eine gut funktionierende Demokratie entstehen können. Aber der gewaltige Erfolg, die Defizitkompensation von Wilhelm II, die sich überschlagenden Ereignisse führten zum 1. Weltkrieg. Und danach wurde nicht wie in der BRD eine gesunde Aufarbeitung vorgenommen, sondern die Not brauchte Lösungen, die ein Demagoge mit einer sozialdarwinistischen Ideologie zu beantworten schien. Dieser war übrigens gar kein Preusse, sondern ein Oesterreicher!
Die BRD aber konnte an ihre christlichen Wurzeln andocken und so die beschämende Vergangenheit aufarbeiten. Selbst im Berliner Dom steht: 

„Setzet Eure Hoffnung ganz auf die Gnade die Euch angeboten wird durch die Offenbarung Jesu Christi.“
 Christus ist auch für das gestorben und ermöglicht so einen Neubeginn. Man muss nicht mehr verdrängen und sich von der Vergangenheit gefangen nehmen lassen. Dies  gilt für Deutschland, aber auch für jeden einzelnen von uns.





PS 2: Calvin würde sich wohl im Grabe umdrehen: Er ist mit Melanchton, Luther und Zwingli als Statue im Berliner Dom überhöht. Nicht, dass er es nicht gut mit Melanchton gehabt hätte. Sie waren befreundet. Melanchton, selber Theologe, nannte Calvin oft nur der „Theologe“, weil Calvin ein genialer und prägnanter Theologe war. Nein, Calvin hätte sich daran gestört so verehrt zu werden. Selbst für sein Grab wollte er keinen Grabstein und schon wenige Monate nach seiner Beerdigung fanden auswärtige Besucher sein Grab nicht mehr. Denn alleine Gott gehört die Ehre, und  nicht uns Menschen. Das macht uns frei und glücklich! Dies kann man nur verstehen, wenn man die unverdiente Liebe Gottes erfahren hat. Und das wünsche ich Ihnen. (Dieser Zustand ist natürlich hier erst eine vorübergehende und schwaches Bewusstwerden, dass sich aber in Christus einst erfüllen wird. Und dieses noch schwache Bewusstsein haben wir bitter nötig, damit wir unsere Unzulänglichkeit annehmen können. Ob wir nun Kaiser sind – oder nicht. Das betrifft uns alle! Was da einst Könige und Kaiser taten, hätten wir kaum an ihrer Stelle besser gemacht. Denn unser Herz – also unsere Persönlichkeit – wird erst dann zur Ruhe kommen, wenn es in Jesus Christus seine Bestimmung findet.)


(3) Eine Begründung für die Machtansammlung und die militärisch Ausrichtung der Preussen findet sich sicherlich im 30-Jährigen Krieg. Friedrich Wilhelm, der Grosse Kurfürst war in seiner Jugend in den Niederlanden, wo er Kontakt zu Professoren der Universität leiden hatte. Es war ein Zentrum des neostoisches Staatstheorie. „In den Lektionen wurden die Erhabenheit des Gesetzes, die Ehrwürdigkeit des Staates als Garant der bestehenden Ordnung und die zentrale Bedeutung von Pflicht und Verpflichtung für das Amt des Souveräns  betont. Besonderes Augenmerk richteten die Neostoiker auf die Notwendigkeit, das Militär der Autorität und Aufsicht des Staates unterzuordnen.“ (Seite 62 aus dem bereits zitieren Buch von Herrn Christopher Clark, Preussen  Aufstieg und Niedergang 1600 – 1947). Im 30-Jährigen Krieg litt Brandenburg schrecklich, da sie kein wirkliches Heer hatten. Und das später unter Schwarzenberg erstellte Heer, war für die Bevölkerung selber eine Belastung und konnte ähnlich schlimm wüten, wie die fremden Heere. Zur Errichtung eines Heeres benötigte man Geld, dass eigentlich von den Ständen, von den örtlichen Mächtigen einverlangt werden musste. Und hier gab es erheblichen Wiederstand, denn sie hatten kein Interesse anstelle eines Heeres unter ihrer Kontrolle für Probleme vor Ort ein stehendes Herr unter Kontrolle des Kurfürsten errichten zu lassen. Warum sollte man auch Geld für entfernte Gebiete des Fürsten sammeln. War der Fürst nicht dafür da, für die Untertanen zu sorgen? Seine Machterweiterung, war seine Privatsache. Doch Friedrich Willhelm setzte sich längerfristig durch. Dabei wurde zum Beispiel in Kleve von einigen Wortführen eine Behandlung des Kurfürsten von Brandenburg wie mit dem englischen König Charles I. in Aussicht gestellt (Seite 82 des Buches von Christopher Clark). Im Klartext bedeutet dies, dass man den Kurfürsten mit der Enthauptung drohte. Die Situation war nicht ganz unähnlich, denn auch im englischen Parlament war man der Meinung, dass keine Steuern erhoben werden konnte, ohne Beschluss des Parlaments. Indem aber in Brandenburg und Preussen eines Generalkriegskommissars eingesetzt (1655)wurde, „Dabei übernahm es nach und nach die Funktion  der ständischen Beamten, die traditionell die Aufsicht über Militärsteuern und –disziplin vor Ort innehatten.“ (Seite 67 des genannten Buches). „Diese Synergieeffekte zwischen Kriegsführung und dem Aufbau von zentralen Staatsorganen waren neu. Sie konnten erst freigesetzt werden, als sich der militärische Apparat von seinen traditionellen provinziell-aristokratischen wurzeln gelöst hatte. Dem Aufbau eines solchen furchteinflössenden militärischen Instruments kam eine grosse Bedeutung zu, denn die Jahrzehnte nach dem Dreissigjährigen Krieg waren im Norden Europas eine Phase heftiger Konflikte.“ (Seite 67).
„Ein weiterer wichtiger Schritt war die Einführung der Akzise, einer Verbrauchssteuer auf Güter und Dienstleistungen, die bereits Ende der 1660er Jahre Schritt für Schritt in den Brandenburgischen Städten eingeführt und später auf Pommern, Magdeburg, Halberstadt und Preussen ausgedehnt wurde.“ (Seite 87)
Die Machtakkumulation des Kurfürsten wurde auch durch die Thronbesteigung des Sohnes von Friedrich Wilhelm, dem Grossen Kurfürsten, König Friedrich I, als König in Preussen sichtbar. Es war damals à la mode. Aus Fürsten wurden Könige. Parlamente wurden zurückgestutzt oder aufgelöst. In Frankreich pries sich Louis XIV als Sonnenkönig: Der Staat, das bin ich.
Allerdings ging es in Preussen nicht ganz so weit (wenn auch Absolutistische Insignien zu sehen waren): Das Recht scheint trotz allem angestrebt worden zu sein, wo auch der König zu unterstellen hatte. Wobei ich nicht sicher bin, ob dies auch für den zweiten König in Preussen gilt, der mit Jacob Paul von Gundlings sehr unehrenhaft umgegangen ist.
Was bei Friedrich Wilhelm, dem Grossen Kurfürsten aber auffällt: Er arbeitete richtig. „Ich werde meine Verantwortung als Fürst in dem Bewusstsein wahrnehmen, dass es sich um die Angelegenheiten des Volkes handelt, nicht um meine eigenen.“ (Zitat von Friedrich, s. Seite 65). „Die ersten Historiographen seiner Regierungszeit etablierten das Bild dieses Kurfürsten als ein Muster der vollkommenen und uneingeschränkten Hingabe an das Amt. Sein Vorbild wurde zu einer einflussreichen Ikone in der Tradition der Hohenzollern, zur Messlatte, an der seine Nachfolger im Amt des Kurfürsten sich entweder massen oder gemessen wurden.“ (Seite 65)
Aus diesem entwickelte sich wohl auch folgende Aussage von Friedrich II (1712- 1786):
„Ich bin der erste Diener meines Staates.“
Das klingt schon etwas anderes, als „L’Etat, c’est moi!“ (Der Staat, dass bin ich!) (Louis XIV)

Allerdings sagt Friedrich der Grosse damit auch, dass es sich um SEINEN Staat handelt und nicht unseren Staat… Aber immerhin sieht er sich als Diener.

Wir erahnen darin schon, wie in Deutschland eine solch starke Hierarchiegläubigkeit sich entwickeln konnte. Dazu passt, dass in Deutschland es die Fürsten waren, die die vorherrschende Religion bestimmten, aber dann auch schützten. Dazu gehörte vorallem das Luthertum und die römisch-katholische Kirche.  Daneben gab es Ausnahmen, wie die Hohenzollern. Gleichzeitig waren die Reformierten oft auf sich selber angewiesen. Aber auch schon Calvin kam immer wieder mal in Streit mit der vorherrschenden Mächtigen in Genf. Einmal vertrieben sie sogar Calvin und holten ihn später wieder zurück. Dadurch entwickelten sich reformiert geprägte Länder weniger hierarchigläubig. Sie waren sich gewohnt, selber die Bibel zu lesen, selber zu denken und auf Gott zu hören, mit Gott ihr Leben zu leben, in der Kirche Verantwortung auch als Leihen zu übernehmen (Aeltester usw.), und je nach Gemeinde auch die Angestellten zu wählen und wenn möglich auch im Staat eine aktive positive Rolle zu spielen. So rette in der Schweiz die Reformation (indirekt wohl auch in den römisch-katholischen Gebieten), die alten Traditionen der Machtteilung und Genossenschaften, während in Deutschland die Machtakkumulation der Mächtigen - zumindest bis zu einem gewissen Grade - zunahm. Allerdings verlief in der Schweiz auch nicht alles geradelinig. So ist der reformierte Kanton Bern wohl lange Zeit sehr hierarchisch gewesen. Es gab wohl keinen König, aber verschiedene sehr mächtige Familien, die in Konkurrenz die Macht teilten: die Patrizier. Aber dies ist wohl letztendlich auch eine Form der Machtteilung. 

Freitag, 7. November 2014

Ihr seid teuer erkauft: werdet nicht Sklaven von Menschen!

Und Gott sah, dass es gut wahr. (1.Mo 1,25)
τιμῆς ἠγοράσθητε· μὴ γίνεσθε δοῦλοι ἀνθρώπων. 1. Korinther-Brief: Uebersetzt bedeutet dies:
Ihr seid teuer erkauft; werdet nicht Sklaven von Menschen (= δοῦλοι ἀνθρώπω =  Douloi Antropo = Sklaven von Menschen!)

Im Textzusammenhang geht es darum, dass man "Im Uebrigen gilt: Ein jeder führe sein Leben so, wie es der Herr ihm zugeteilt, wie Gott ihn berufen hat." (1. Kor. 7,17a) Dann wird Paulus konkreter: 

"Ist ein Beschnittener berufen worden, mache er seine Beschneidung nicht rückgängig; ist einer als Unbeschnittener berufen worden, lasse er sich nicht beschneiden. Beschnitten sein gilt nichts, und Unbeschnittensein gilt nichts; allein die Beachtung der Gebote gilt. Jeder aber bleibe an seinem Ort, an den er berufen worden ist." (1. Kor. 7,18-20)

Dann fährt er weiter und sagt, dass man sich als Sklave sich nicht bekümmern solle. Wer aber die Gelegenheit hat frei zu kommen, soll sie nutzen. Er begründet es folgendermassen:

"Denn wer im Herrn als Sklave berufen wurde, ist ein Freigelassener des Herrn; ebenso ist, der im Stande der Freiheit berufen wurde, ein Sklave Christi." (1. Kor. 7,22)

Paulus meint also, wie und wo wir im Leben stehen, ist es gut so. Als Nicht-Juden, also als Menschen aus den Nationen oder als Heiden, müssen wir nicht Juden werden. Und Juden müssen ihre Identität nicht ablegen. An anderer Stelle beschreibt er, was die Juden als Gottes Volk alles erhalten haben. Das ist alles wichtig und wertvoll. Aber aus Gnaden berufen zu sein, erfüllt alles. Daher brauchen wir nichts mehr, ausser auf die endgültige Offenbarung der Versprechungen Gottes zu warten und mit Gottes Hilfe diese Zwischenzeit zu leben. Zugleich haben wir in einem geistlichen Sinne aber schon alles:

"Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch wirkt und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Ihr seid teuer erkauft. verherrlicht also Gott mit eurem Leib!" (1. Kor. 7,18+19) schreibt Paulus vorgängig, als er den wiedergeborenen Christen in Korinth erklärt, dass sie nicht zu käuflichen Damen gehen sollen. 

Erstauntlich, dass man das Christen sagen muss? Das liegt daran, dass wir aus Gnaden berufen sind. Das einfache Bekenntnis zu Jesus reicht, um mit dem Dreieinigen Gott einen Bund einzugehen. Dabei ist Gott so treu, dass er uns bis in alle Ewigkeit zu sich trägt. Dadurch werden wir Kinder Gottes, Erben des Höchsten. Es ist freiwilliges Geschenk des Allmächtigen. Es ist daher logisch, dass wir dadurch noch nicht gelernt haben, wie Kinder Gottes zu denken und zu leben, insbesondere, wenn wir in einem Kulturkreis aufgewachsen sind, wo jüdisch-christliche Kulturgut fremd ist. Und selbst dort, wo viel jüdisch-christliches Gedankengut vorhanden ist, wird alles neu, weil die Liebesbeziehung zu Gott es ändert: Wir können nun zum allmächtigen Gott wirklich Abba, also lieber Papi sagen und Gott ist trotzdem noch Gott der Allmächtige, der für uns sorgt und heilig ist.

Diese Liebesbeziehung zu Gott wird durch unsere Furcht zu den Menschen gestört. Aber wir müssen keine solche Furcht haben! Selbst wenn wir Sklaven sind. Bei uns gibt es zwar keine Sklaven mehr, da Art. 27 ZGB (Schweizerisches Zivilgesetzbuch) dies verbietet:

"Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken." Allerdings frage ich mich, ob dies in der Realität doch nicht auch vorkommt: Wieviele von uns müssen zur Arbeit, da sie ihren Lebensstandard sichern müssen? Bereits nach der amerikanischen Revolution waren die Whig's sehr enttäuscht, denn ihr Ziel eine Gesellschaft aufzubauen, wo der Bürger frei war, im religiösen, politischen und wirtschaftlichen Sinne - auf der Grundlage von jüdisch-christlichen werten - wurde mit der zunehmenden Industrialisierung in eine - wie sie es nannten - Lohnsklaverei - verwandelt. Für das hatten sie nicht gekämpft. Später änderte man den amerikanischen Traum, indem man sagte, jeder könne vom Tellerwäscher zum Millionär aufsteigen. Aber es blieb diese bittere Pille, dass die erträumte Freiheit nur zum Teil erreicht wurde. Das Bild des mittelalterlichen Handwerkers und Händlers, der in der Stadt ein freier Bürger war, konnte nicht ganz umgesetzt werden. Und wer meinen letzten Beitrag gelesen hat über die ehemals Magersüchtige Damen, weiss, dass es noch ganz andere Versklavungen gibt. (Ihre Magersucht kann man auch auf das Problem zurückführen, dass sie die Meinung der Menschen überbetonte.)

Aber hier hinein spricht die Bibel und sagt: Ihr seid in Christus frei! Indem ihr Euer Leben dem Schöpfer gibt, werdet ihr in einem Sinne zu Sklaven Christi, aber gerade das macht Euch frei! Es ist nicht mehr wichtig, wie die Lebensumstände sind. In Christus sind wir frei. Es ist nicht mehr wichtig, wo wir überall versagt haben: In Christus sind wir frei. Es ist nicht einmal mehr wichtig, was andere Menschen über uns denken: In Christus sind wir frei und wir sollen Gott mehr fürchten als Menschen, wie es schon im Alten Testament heisst:

"So spricht der Herr: Verflucht ist der Mann, der auf Menschen vertraut und Fleisch für seinen Arm hält und dessen Herz vom HERRN weicht!" Der Prophet Jeremia macht gerade diese Menschenfurcht zu einem der Gründe, warum wir uns unglücklich machen. Er beschreibt es sogar als einen Fluch, wenn wir Menschen als Problemlösung sehen! Denn es ist Gott, der uns geschaffen hat und uns hilft. Das macht Gott durch viele Arten: Situationen, Engel und auch durch Menschen. Wer sich aber auf Menschen verlässt, kann sicher sein, dass er enttäuscht wird. Jesus wusste dies gut, als wir Menschen ihn zum König machen wollten, meinte er einmal, dass er schon wisse, was in ihrem Herzen ist. Und später riefen die gleichen Menschen, dass man Jesus kreuzigen solle. So instabil sind wir Menschen. Daher ist es viel vernünftiger sich auf Gott zu verlassen, als auf Menschen. Dies bedeutet trotzdem, dass wir allen Menschen Vorschuss-Vertrauen im alltäglichen Umgang geben sollten. - Nur so können wir zusammenleben und kann sich ein Mensch entwickeln. Aber unser letztes Vertrauen muss in Gott sein. Dann können wir auch unser missbrauchtes Vertrauen besser einordnen und dem anderen einfacher vergeben.

Und selbst wenn wir das nicht immer leben können: Auch das ist letztendlich egal. Dann wenden wir uns  traurig zu Jesus und er macht alles in Ordnung. Denn in Jesus Christus kommt unsere arme Seele zur Ruhe, weil Jesus alles gut macht. Er ist unser Heiland und Erlöser. Und ihm allein gehört diese Ehre. Aus diesem sicheren Hafen in Christus können wir nun lernen, dass zu leben, was Gott für uns vorbereitet hat. 

So lieben wir auch in der richtigen Reihenfolge: Zuerst Gott und dann hilft er uns die anderen liebenswerten Beziehungen und Dinge richtig zu ordnen. Dass wird uns gut tun - und wirklich frei machen! Denn Christus hat uns mit seinem Opfer am Kreuz frei gemacht und für ein ewig sinnvolles und wertschätzendes Leben mit Gott dem Sohn, Gott dem Vater und Gott dem Heiligen Geist erkauft.

"Ihr seid teuer erkauft; werdet nicht Sklaven von Menschen!" (1. Kor. 7,23)

"Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch wirkt und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Ihr seid teuer erkauft. Verherrlicht also Gott mit eurem Leib! (1. Kor. 6,18)

"Zur Freiheit hat uns Christus befreit! Steht also fest und lasst euch nicht wieder in das Joch der Knechtschaft einspannen." (Galater 5,1)

Gebet:

Lieber Heiland, hilf uns, dass wir auf Dich vertrauen und vor Dir mehr Respekt haben, als vor Menschen. Du bist der Fels, der auch in 1000 Jahren noch da ist. Du hältst Deine Versprechen und wir wollen Dir gehören! Als unser Schöpfer sind wir am Besten bei Dir aufgehoben: Dein guter Wille soll geschehen! Wir vergeben allen, die unser Vertrauen missbraucht haben. Danke vergibst auch Du mir, wo ich anderen Menschen ihr Vertrauen gegenüber missbraucht habe und danke vergibst Du mir, wo ich DEIN Vertrauen missbraucht habe. Danke gingst Du auch dafür ans Kreuz und machst alles gut.
Dir allein, lieber Jesus gehört der Dank, für Deinen Mut! Dir allein, lieber Vater im Himmel gehört der Dank, dass Du das alles auf Dich genommen hast! Dir allein lieber Heiliger Geist gehört der Dank, dass Du das Gross in uns machst!

Amen!


Sonntag, 2. November 2014

Déborah Rosenkranz Magersucht und Schönheit

Heute habe ich als Gottesdienst ein interessantes Konzert von Déborah Rosenkranz erlebt. (Es war schöner, als im Youtoub-Film, s.o.) Eigentlich erzählte Sie Ihre Lebensgeschichte und umrahmte dies mit ihren Liedern. 

Das erste gefiel mir musikalisch, inhaltlich weniger, weil sie davon sang, dass sie schön und stark sei. Danach begann ich zu verstehen, warum sie dies so betonte: Sie war schwer magersüchtig und daran beinahe gestorben. (Meine Meinung: Es ist doch eigentlich egal, ob mich die Welt schön findet oder nicht: Gott hat mich als sein Ebenbild geschaffen, wer wie da die Werthaltigkeit eines Menschen absprechen und damit Gott beleidigen?)

Mir kamen mehrmals die Tränen, so tragisch waren gewisse Lebensabschnitte in ihrem Leben. (Ich schloss die Augen, dass man es nicht so merkte.) Als sie durch Gottes Hilfe all die Anfechtungen überlebt hat (wozu diese irrationalen Gedanken gehörten, dass man nur geliebt und wertvoll sei, wenn man möglichst schlank sei), wurde sie Stewardess bei der Crossair. Hier hat sie einen Musiker genervt, indem sie behauptete, er könne seine Guitarre nur ins Flugzeug mitnehmen, wenn er sie auch nutze. Dabei muss sie selber gesungen haben. Dadurch wurde eine Kettenreaktion ausgelöst, in der sie am Schluss im Fernsehen bekannt wurde und einen Plattenvertrag erhielt. Sie als Tochter eines Predigers, die lange Zeit mit sehr wenig auskommen mussten, schwelgte nun in Luxus. Da fuhr sie an einen Unfall und während das Opfer betreut wurde, betete sie mit dem Unfallverursacher und seiner Frau. Als das Opfer starb, brach der Unfallverursacher zusammen. Da wurde ihr bewusst, wie der gesamte Ruhm und das gesamte Geld hier nicht weiterhelfen kann. Daraufhin liess sie den Plattenvertrag "sausen", da sie damit zwar reich, aber nicht mehr von Jesus singen und erzählen konnte.

Das beeindruckte. 

Zuerst dachte ich, es wäre gar nicht schlecht, wenn sie nicht so schön wäre, vielleicht sogar etwas dicker. Dann würde man deutlicher verstehen, dass es sich um eine tiefgreifendere Schönheit handelt, als nur das Aeussere, unserer Zeit entsprechend Schöne. Auf der anderen Seite werden alle, die auf Jesus vertrauen, bei der Wiederkunft von Jesus verherrlicht. Da werden wir WIRKLICH sehr schön sein. Hier leben wir halt in dieser Zwischenzeit: In Christus sind wir schon im Himmel und doch ist das Alte noch da. Und auch das Alt werden ist noch da (eine Folge des Sündenfalls).

Es ist schön, dass sie ihr Temparament und Schönheit so ausleben kann. Sie hat mir gesagt, dass es sie nicht stresst, viel unterwegs zu sein. Sie lebt ihren Gaben gemäss und ist dabei sehr glücklich. Finanziell hat sie nun sogar ein sicheres Einkommen von einer 40% Anstellung. Und dann ist es wohl so, dass sie nicht jene Welt, in der sie lebte, so gut erreichen könnte, wenn sie nicht so wäre, wie sie ist. Sie arbeitet bewusst mit, bei einer Hilfsorganisation, welche Magersüchtigen auch nach der ersten Hilfen weiterhilft.

Es ist eine schöne Musik, die sie macht. Und obwohl ich Kopfweh hatte - und ich daher eher lieber einen etwas ruhigeren Gottesdienst gehabt hätte, fühle ich mich sehr durch Déborah Rosenkranz und ihrer Kunst beschenkt.

Ein Text gefiel mir dabei sehr gut, weil es die Gnade und die Liebe Gottes sehr gut beschreibt:

Not guilty (Nicht schuldig): Hier der Text aus dem Englischen übersetzt:

"schuldig, stehe ich da / mit einer langen liste meiner versagen / all dem, was ich falsch gemacht habe / Ich schäme mich so sehr 
/ nirgendwo kann ich mich verstecken /
heute ist der tag / an dem ich mich dafür rechtfertigen muss /
mein schicksal liegt in der hand des richters /

DOCH

er dreht sich zu mir um und sagt 

ich kenne dich

ich liebe dich

ich gab mein leben, um dich zu retten

liebe hat den preis für diene gnade bezahlt 

mein urteil: unschuldig

wie kann es sein 
ich kann es nicht verstehen/ welch eine gnade muss es sein / 
die die sünde der Welt wegnimmt /
überwältigt stehe ich da /
weil ich weiss, dass ich  frei bin
tränen fliessen über mein gesicht / während ich auf das Kreuz blicke /
denn es hätte mein platz sein können / mein schicksal lag in den durchbohrten händen /
doch er streckt sie aus und sagt /

ich kenne dich

ich liebe dich 

ich gab mein leben, um dich zu retten
liebe hat den preis für die gnade bezahlt
mein urteil: unschuldig

ich falle auf die knie und danke ihm
mit allem, was ich bin /
preise ich ihn/ so dankbar für die worte, die ich höre."

Interessant ist, dass wir einen Sohn eines Pfarrers kennen, der auf eine ähnliche Weise die Musik liebt. Leider hat er die Musik an die Stelle Gottes gestellt. Und alles, was man an seine Stelle tut, wird zu einem Götzen, der uns unserer Freiheit raubt. Wir werden süchtig, wie einst Déborah Rosenkranz süchtig war nach Schlankheit, weil sie damit Liebe und Wertschätzung verdienen wollte. Darum hat schon im 4. Jahrhundert Augustinus gesagt, dass wir in der richtigen Reihenfolge lieben sollen. Denn wenn wir Liebenswertes überbewerten, werden wir unglücklich, weil es uns wie ein Süchtiger gefangen nimmt. Es war schön zu sehen, dass Déborah Rosenkranz die Musik in der richtigen Reihenfolge liebt.
(Aber wie bei mir gilt genau das, was sie in ihrem Lied singt: Es ist Jesus Christus, der uns gerecht und frei spricht und aus unserer unvollkommenen, von Sünde erkrankten Menschsein, etwas wirklich Gutes macht: Gerecht und Sünder zugleich. Frei die Wahrheit sehen und in der Gnade Gottes sich einfach von Gott lieben zu lassen. Und alles, auch unsere besten Werke Gott überlassen, damit er etwas daraus macht, das in Verherrlicht. Bis wir dann, wenn Jesus Christus zum zweiten Mal kommt, uns und die ganze Schöpfung erneuert. Und dann werden wir sehen, was wir gehofft haben, weil es Jesus uns versprochen hat.)

Hier Ihre Hompage: www.deborah-rosenkranz.com

Samstag, 1. November 2014

Neologie J. S. Semler, Vater der historisch-kritischen Theologie Oder wie die historisch-kritische Theologie im 18. Jahrhundert begann

Neologie ist für mich ein neuer Begriff.

Semler, ein Mann, der im Pietismus aufgewachsen ist und zeitlebens so predigte, konnte gleichzeitig das "Wöllnersche Edikt" von 1788 unterschreiben und seine "wissenschaftliche" Art der Theologie ausleben. 

"Für K.F. Bahrdt schlägt beim Lesen von Semlers Schriften 'die Sterbeglocke meines Glaubens'". (Seite 133 2000 Jahre Kirchengeschichte, 4. Band von Prof. Dr. theol. Armin Sierzyn., vor seiner Pensionierung auch Dekan und ref.-evang. Pfarrer der zürcherischen Landeskirche)

Was hat Semler so bahnbrechendes getan?

Dazu aus dem oben erwähnten Buch Seite 129-132:

": J. S. Semler, Vater der historisch-kritischen Theologie

Alle Genannten an Bedeutung überragt Johann Salomo Semler (1725 - 1791)., Durch Baumgartens Vermittlung seit 1752 Professor in Halle. Semler ist der unbestrittene Vater der historisch-kritischen Theologie. An der Orthodoxie kritisierte er zu Recht, sie habe aus der Bibel einen scholastischen 'Einheitsbrei' gemacht. Dasselbe beanstanden auch Bengel und Oetinger, aber sie ziehen daraus andere Folgen.
Semler sucht einen neuen Zugang zur Bibel. Wie schon den mystischen Spiritualismus (und auch Baumgarten) ist ihm die Heilige Schrift als solche nicht mehr das Wort Gottes. Die Bibel enthält bloss noch das Wort Gottes. 'Wir lange will man uns Christen täuschen mit solchen Larven, die  Bibel sei ganz Gottes Wort?' ? Heilige Schrift und Wort Gottes ist gar sehr zu unterscheiden'; Gottes Wort ist in der Bibel nur 'hie und da' aber nicht 'durch und durch' enthalten. Die Heilige Schrift ist zunächst ein vorderorientalisches Literaturprodukt wie viele andere; sie darf darum mit profanwissenschaftlichen Methoden untersucht werden, ohne dass ihre eigentliche Botschaft darunter leidet ,im Gegenteil. Semler stellt als Erster die Bibel 'unter die Kategorie des Historischen' (Heussi). Damit hat sich die B ibel der Kategorie eines neuen Bewusstseins zu stellen und wird in deren Licht kritisiert. Mit Semler vollzieht sich die Wende vom altevangelischen zum neuprotestantischen Schriftverständnis (Hirsch). 
Bisher war die Heilige Schrift selber das Licht, das die Menschen und ihre Werke erleuchtet. Nun wird dieses Licht unter die 'Kategorie des Historischen' - ein Produkt der aufgeklärten Vernunft - gestellt, auf dass es noch heller leuchte.

Karl Barth spricht treffend von einem 'geistigen Eroberungstrieb'. Der Mensch des 18. Jahrhundert 'beginnt,sich der ganzen Vergangenheit gegenüber eine grundsätzliche Ueberlegenheit zuzuschreiben.' (K.  Barth, a.a.O., 39f.)
(Mein Meinung: Hochmütig über vergangene Zeiten sich zu erheben, weil man glaubt intelligenter und 'aufgeklärter' zu sein.)
Da nun alle 'Menschen fündlein' relativ und zeitgebunden sind, leidet fortan die neuprotestantische Kirche unter der Fuchtel dieser ziemlich intolerant daherkommenden Methode am Problem des Relativismus und des Subjektivismus.
Albert Schweizer hat schon 1906 nachgewiesen, dass die Resultate dieser Art Bibelstudium nichts weiter sind als Projektionen der je eigenen Vorurteile und Wünsche. Dasselbe gilt auch für das ganze Unternehmen der Neologie. 
Spätestens seit der Romantik wissen wir, dass die Aufklärung wenig Sinn und Geschmack für Geschichte besitzt. Die Aufklärer sind auch nicht besondere Heroen der Wahrheit. Ihr scheinbar so eminentes Interesse an der 'Geschichte' dient der dogmatischen Absicht, die staubigen Kammern der altevangelischen Dogmatik zu verlassen. Man will nicht mehr so glauben wie die Väter. Recht unzimperlich werfen die Neologen (und erst recht die Rationalisten) heiligste Glaubensinhalte der 1700-jährigen Christenheit auf den Müllhaufen des Aberglaubens. Fortschrittsbewusst erhebt sich der aufgeklärte Protestantismus gegenüber dem alten Glauben zu einer neuen, polarisierenden Weltanschauung und Glaubensart. Der überlieferte biblisch-reformatorische Glaube wird nur halbherzig bis gar nicht in die neue Toleranz einbezogen (Lessings Nathan).
Der Aufklärungs-Umbruch ist nur vordergründig ein 'vorurteilsfreier' Prozess. In Tat und Wahrheit vollzieht sich eine 'Verwissenschaftlichung' oder Philosophisierung des Christentums. 
Man 'will und braucht und sucht jetzt ein natürliches und vernünftiges Christentum'. Fortan können auf dem von Semler vorgezeichneten Grund und Weg Offenbarung, Theologie und Kirche in tausend Facetten als Funktionen der Anthropologie verstanden und betrieben werden. Dies entspricht dem Geist der Aufklärung.
Semler begründet seine neue Art des Bibelzugangs in seiner dogmatischen Schrift 'Versuch einer  freieren theologischen Lehrart' (1777) und in der vierbändigen 'Abhandlung 'Abhandlung von freier Untersuchung des Canons' (1771/17775). Er unterscheidet Theologie und Religion und fordert eine doppelte Lehrart. Als Theologe und Schriftsteller will er frei der wissenschaftlichen Wahrheit dienen, als Prediger aber muss er sich an die Bekenntnisse seiner Kirche halten. Demgemäüss unterschreibt Semler 1788 das konservative 'Wöllnersche Edikt? der Regierung zum Schutze des Glaubens.
Die portestantische Theologie des 18. Jahrhunderts sieht nach Semler nur noch mässige Profile; viele von ihnen sind Nachbeter von Immanuel Kant. Der eingtiche Erbe Semlers lehrt erst 50 Jahre später in einer neuen Zeit in B erlin. Es ist der 'Kirchenvater des 19. Jahrhunderts', und sein Name heisst Daniel Errnst Friedrich Schleiermacher."

Daher können manche evangelische Predigten so anders klingen, als sie ein Luther, Calvin, Zwingli oder Bucer machten. Ist es eine Ironie der Geschichte, dass die Kirchen der Reformation, welche die philosophische Brille zum Bibelstudium ablegen wollten, wieder eine neue, noch intensivere Brille anlegten, als es die römisch-katholische Kirche tat?

"Was soll aber aus den armen Gewissen werden, die eine feste Gewissheit des ewigen Lebens suchen, wenn alle Verheissungen, die darüber bestehen, allein auf Menschenurteil beruhen?" schreibt Calvin in seiner Institutio I,7,1. 
Calvin würde uns wohl auch das zurufen (s. ebenfalls Insitutio I,7,1):

"Indessen hat sich bei vielen der verderbliche Irrtum eingeschlichen, die Schrift habe nur soviel Gewicht, als ihr das Gutdünken der Kirche zugestehe. Als ob Gottes ewige und unverletztliche Wahrheit auf menschliche Meinung gegründet wäre! Man spottet dabei des Heiligen Geistes und fragt: 
'Wer verbürgt uns, dass diese Schriften von Gott stammen? Und wer versichert uns, dass sie heil und unversehrt bis in unsere Zeit übergekommen sind? Wer soll uns überzeugen, dass das ein Buch in Ehrfurcht anzunehmen, das andere auszuschliessen sei? Wer - wenn nicht die Kirche...."

Vor 500 Jahren produzierte dies eine Tyrannei der Kirche, wie Calvin weiter schreibt. Dies mag heute bei uns kein Problem mehr sein. Aber heute wie damals schafft diese Denkweise bei vielen der Zweifel an der Gewissheit des ewigen Lebens, es beruhigt nicht das Gewissen sondern treibt zum Verdrängen und schafft ein Verlorensein in den eigenen Wünschen und/oder den Wünschen anderer. Bei einigen trennt es, wie bei Semel sein Denken und Glauben, was dann die merkwürdigen Ergebnisse in der Ethik erklärt.  Mit diesem Denkmuster ist der Moderne (und mittlerweile Postmoderne) Mensch seinem beschränkten Verstand ausgeliefert. Selbst wenn Jesus vor ihnen leibhaftig stehen würde, würden sie ihn mit ihrem Verstand leugnen! Denn was nicht sein darf, ist auch nicht (wobei ich sicher bin, dass viele mehr nur Mitläufer sind und sich von einem solchen Wunder doch beeinflussen lassen könnten.) Letztendlich führt der Rationalismus die oberflächliche Postmoderne: Denn wenn alles so zweideutig ist, und eigentlich doch keinen letztendlichen Sinn hat, wird alles relativ. Dann ist es das Beste, das hier und jetzt zu geniessen und nicht zuviel nachzudenken, da es nicht wirklich mehr gibt. 

Wer sagt ihnen, dass sie als Menschen wertvoll sind, weil sie Gottes Ebenbild sind - und zwar wirklich? Wer erklärt ihnen, dass jeder Mensch gerecht behandelt werden muss, ansonsten der Gott der Liebe wütend wird? Wer sagt ihnen, dass Gott ausserhalb des Erschaffenen steht? Dass Gott ausserhalb von Zeit und Raum ist und dass er viel mehr ist als unser Verstand fassen kann? Daher können wir ihn weder wie ein Insekt untersuchen, noch  können wir ihn ganz begreifen. Wir können aber dennoch einiges mit unserem Verstand verstehen, auch dass wir nicht alles verstehen und fassen können. Wir können Gott bitten, dass der Heilige Geist uns beim Bibellesen hilft, dass wir etwas von Gottes-Unfassbarkeit verstehen können. Dass wir ihn als transzendent und als eine Person, oder besser als eine dreieinige Person sehen können (was natürlich selber wieder ein Geheimnis umfasst). Das wir beginnen zu begreifen, dass der allmächtig und ewige Gott mächtig und Liebe ist und er daher sich selber für unsere Sünden zum Sündenbock machte und damit die Forderung der Gerechtigkeit Gottes erfüllt hat, damit wir durch Jesus Christus und sein Opfer (sein verflossenes Blut, was das Leben symbolisiert), Zugang zum Heiligen Gott Vater haben. Ja noch mehr, selbst unser Körper wird durch das Wohnen von Gott dem Sohn, Gott dem Vater und Gott dem Heiligen Geist zu einem Tempel  Gottes.

Die Reformatoren konnten nicht beweisen, dass ihre Sicht richtig ist. Sie sprachen aber vom Selbstzeugnis der Heiligen Schrift. Schon Jesus sagte, dass wenn man sich auf Jesus einlässt, wie die Bibel sagt, wird man erkennen, ob es wahr ist oder nicht. Die daraus entstehende Weisheit ist dann viel mehr als nur Wissen. Denn ein sehr intelligenter Menschen kann trotzdem ein Tor sein...

"Nun ergehen aber nicht alle Tage Offenbarungsworte vom Himmel, und es hat Gott gefallen, allein in der Schrift seine Wahrheit zu stetem Gedächtnis zu erhalten. Deshalb kann die Bibel nur dann den Gläubigen gegenüber volle Autorität erlangen, wenn sie gewiss wissen, dass sie vom Himmel herab zu ihnen kommt, als ob Gottes eigene Stimme hier lebendig vernommen würde." (Calvin in Insitutio I,7,1)

Auch wenn ich nicht alles in der Bibel erfassen kann, so glaube ich doch, dass der Heilige Geist mit den Schreibern der Bibel so kommunizierten, dass ihre Schriften so entstanden, dass sie Gottes Wort sind. Dabei waren die Schreiber bei vollem Verstand und haben anhand ihres Charakters und ihrer Zeit Gottes Wort niedergeschrieben.  Diese Schriften wurden wiederum von seinem Volk gesammelt. Noch heute ist es beeindruckend, wie die Juden das Alte Testament, ihr Tenach sorgsam behandeln. Auch das Neue Testament wird von den Christen der verschiedensten Denominationen mit aller Sorgfallt aufbewahrt. Beweisen kann ich es genausowenig wie vor 500 Jahren die Reformatoren. Aber ich merke, dass die Aussagen über mein Leben, über den Wert des Menschen, über unsere Probleme und die angebotene Vergebung und Versöhnungsmöglichkeit mit Gott wahr ist.
Es mag war sein: Gottes Volk hat viele Fehler gemacht. Gerade diese Woche habe ich gelesen, wie selbstverständlich die Bibel über rituelle Sünden der Familie Arons spricht. Aber so sicher dies ist, so sicher ist auch die Vergebung und Versöhnung mit Gott! Daher können wir fröhliche Sünder sein, die auch Busse tun über ihre unvollkommenen guten Werke, weil sie wissen, dass sie der ewige Gott zu seinen geliebten Kinder gemacht hat: und das geschah ohne Leistung: Gnade, d.h. ein reines Geschenkt! Gott allein gehört die Ehre und unser Dank in Ewigkeit!
AMEN.