Freitag, 23. Mai 2014

Und sie steinigten den Stephanus



„Und sie steinigten den Stephanus, der betete und sprach:
Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!
Und niederkniend rief er mit lauter Stimme: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu! Und als er dies gesagt hatte entschlief er.
Saulus aber willigte in seine Tötung ein.“
(Apostelgeschichte 7,59+60 und 8,1a)


Eine schaurige Geschichte. Stephanus, ein Diakon der Gemeinde in Jerusalem wird gesteinigt. Danach entbrennt eine Verfolgung gegen die Christen. Die Steinigung von Stephanus war wie ein Dammbruch oder der Startschuss für die Verfolgung der Christen. Was war der Grund dafür?

Dazu müssen wir etwas ausholen. Wir befinden uns im antiken Jerusalem. Die Stadt ist von römischen Truppen besetzt. Jesus wurde bereits gekreuzigt und ist von den Tode auferstanden. Er ermutigte seine Jünger und liess sie auf Pfingsten warten, als er in den Himmel auffuhr. So bleiben seine Jünger etwas verwirrt zurück.

Dann kommt Pfingsten, die Ausgiessung des Heiligen Geistes. Ein Geschehen, dass schon im alten Testament vorausgesehen wurde. Und es gab schon „Vorbezüge“ dieses Ereignisse. Man denke nur an König David. Nun aber wurde der Heilige Geist auf alle Gläubigen ausgegossen und die Gemeinde wuchs und wuchs. 

Die Gemeinde wurde von Aposteln geleitet. Das  waren Männer, die mit Jesus eine Zeitlang zusammengelebt haben. Damals war es üblich, dass ein Rabbi so seine Jünger, seine Nachfolger und Schüler lehrte. Dadurch, dass die Gemeinde aber immer mehr wuchs, verloren die Apostel etwas den Ueberblick. Ein Teil der Gemeinde empfand sich von einem anderen Teil ungerecht behandelt. Daher wählte die Gemeinde sieben Diakone aus (Apostelgeschichte 6,5) und „Diese stellten sie vor die Apostel; und als sie gebetet hatten, legten sie ihnen die Hände auf."

Und das Wort Gottes wuchs, und die Zahl der Jünger in Jerusalem mehrte sich sehr; und eine grosse Menge der Priester wurde dem Glauben gehorsam.“ (Apostelgeschichte 6,6+7)

Ein interessantes Vorgehen: Die Apostel als Leiter der Gemeinde waren überfordert. Die Lösung war, dass die Gemeinde Diakone erwählte. Die Gemeinde bestand also aus reifen Christen, die mit den Aposteln zusammenwirkten.
Dies war eine so gute Problemlösung, dass der Reibungsverlust innerhalb der Gemeinde weggetan war. Und  es war wohl wieder so, wie es vorhin war: „Die Menge der aber, die gläubig geworden, war ein Herz und eine Seele; und auch nicht einer sagte, dass etwas von seiner Habe sein eigen sei, sondern es war ihnen alles gemeinsam. Und mit grosser Kraft legten die Apostel das Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesus ab; und grosse Gnade war auf ihnen allen.“ (Apostelgeschichte 4,32 – 33)

Damit erfüllte diese Gemeinde in Jerusalem das Gebet von Jesus vor seiner Kreuzigung: s. Johannes 17. Es ist gut, das ganze Kapitel zu lesen. Jesus betet hier sehr lange für seine Jünger und auch für uns, wenn wir seine Jünger sind. Ich möchte daraus nur diese Verse zitieren: 

„Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, dass sie eins seien, wie wir eins sind – 

Ich in ihnen und du in mir – dass sie in eins vollendet seien, damit die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, wie du mich geleibt hast.“

(Johannes 17,22+23)

Verrückt! Als Christ werden wir von Gott dem Vater so geliebt, wie er seinen Sohn, Jesus Christus liebt! Und hier betet Jesus um die Einheit von uns Christen. Und Jesus wusste sicherlich, dass dies nicht so einfach ist. Selbst diese erste Gemeinde in Jerusalem bekam ernsthafte Probleme. Aber sie fanden eine gute Lösung und so wurde aus dem Problem eine Herausforderung, die sie weiterbrachte. Das ist ja auch das positive an Problemen: Sie können Herausforderungen sein, die ganz neue Wege ermöglichen. Dies gilt sogar für die Steinigung des Stephanus. Aber dazu später.

Die Gemeinde blühte auf, wie es wohl sich viele Christen heute wünschen. Es herrschte Harmonie. Aber die Bibel verhält nicht, dass sie bei all diesen Wundern auch Probleme hatten. Die Probleme wurden aber mit der Hilfe von Gott gelöst. 

Ich glaubte früher, dass wer treu Jesus nachfolgt, dass er dann keine wirklichen Probleme hat. Der Segen Gottes verhindere das. Das ist nicht ganz korrekt. Gott gebraucht manchmal Probleme, um uns weiterzubringen. Wir reifen an Problemen, wenn wir es lernen, richtig mit diesen Herausforderungen umzugehen. Damit sage ich nicht, dass wir bessere Christen würden. Oder, dass wir so näher bei Gott wären. Das wäre grosser Unfug.  Denn wir sind aus Gnaden errettet und sollten nun auch in Gnade leben und jede Form von Leistungsdenken ablegen. Wenn wir als Sünder zu Jesus gehen, dann werden wir durch seine Leistung am und ums Kreuz gereinigt, geheiligt, Gerecht gesprochen und zu Kindern Gottes. Nicht weil wir etwas taten. Sondern alleine, weil Jesus uns alles verdient hat und uns geschenkt hat. Gnade ist immer unverdientes Geschenk, sonst ist es nicht mehr Gnade, sondern Lohn.

Hier geht es um etwas anderes. Reifung in diesem Jammertal. Lernen von Gehorsam. Lernen, dass auszuleben, was wir von Jesus erhalten haben. In jenen Werken wandeln, die Gott vorbereitet hat. Wenn wir das tun, haben wir kein Lob verdient. Denn wir tun ja nur, was Gott vorbereitet hat. Somit gehört Gott alleine das Lob und die Ehre. Aber das ist nicht so schlimm, weil es uns von uns selber befreit und uns um Gott kreisen lässt. Und das „verrückte“ ist, dass unser Dreieiniger Gott genauso mit sich handelt. Dass heisst, Jesus verherrlicht den Vater. Der Vater verherrlicht den Sohn. Der Heilige Geist verherrlicht den Sohn usw. Und das Ziel unseres Christsein, ist uns von diesem Dreieinigen Gott, der ewig Mächtig und ewig Liebe ist, von diesem Allmächtigen Gott uns lieben zu lassen. Er wird uns dann auch am Ende unserer Tage auf dieser Erde verherrlichen. Und dann werden wir nur noch das Gute wollen. Jetzt ist alles geistlich da und doch noch die da. Alles noch ein wenig auf Hoffnung. Geistlicher Kampf und Vertrauen in Jesus üben.

Für die Gemeinde in Jerusalem wird es folgerichtig nun noch mehr Herausforderungen geben. Während sie Wunder erleben und in einem gewissen Sinne sich schon im Himmel fühlen – und tatsächlich ist mit dem ersten Kommen von Jesus das Himmelreich Gottes geistlich angebrochen, gibt es immer wieder Einschnitte von Probleme. Mit der Steinigung von Stephanus brechen die Dämme und die  ganze Gemeinde wird verfolgt. Die Gemeindeglieder werden aus Jerusalem vertrieben. Die harmonische Gemeinschaft wird empfindlich gestört. Der Schlimmste ihrer Feine ist Saulus. Ein religiöser Fanatiker. 

Stephanus macht nun etwas während seiner Steinigung, dass mich tief berührt: Er betet für jene, die so grausam verachten und töten! Vermutlich ist ihm bewusst, dass die Verleugnungen einige aufgebracht hat. Und dann war er in seiner Rede vor Gericht auch nicht gerade zimperlich mit Schuldaufdeckung. Es ist leider so, dass unsere menschliche Natur seit dem Sündenfall wohl die Fehler der anderen deutlich sehen kann. Aber mit der Erkennung der eigenen, haben wir sehr Mühe. Man könnte sogar sagen, wir sind für viele unserer Sünden blind. Aber wie könnten wir sonst auch anders leben? Unsere Seele muss unsere Sünden verdrängen, sonst könnten wir uns nicht im Spiegel betrachten. Dies wird erst möglich, wenn wir zutiefst wissen, dass wir mit unseren Sünden von Gott geliebt werden. Erst dann, wenn wir wissen, dass Gott dieses Problem gelöst hat, wird unsere Sünde zu einer positiven Herausforderung. D.h., dass wir sie erkennen und gerne Jesus bringen und loswerden wollen.

Dies weiss Stephanus zutiefst. Sicherlichh hat er diesen Prozess der Selbsterkenntnis, die auch eine Sündenerkenntnis über sich selber ist, durchgemacht. Darum kann er mit den Menschen, die ihm Unrecht antun, so barmherzig umgehen. Er weiss, dass er aus sich nicht besser ist, als jene, die ihn steinigen. Und zualldem wissen sie nicht einmal, wie unrecht sie handeln. Sie sind so verblendet. 

Stephanus macht aber nicht den unter Christen bekannten Fehler Unrecht zu verharmlosen. Dies beweist seine Rede vor Gericht, wie auch sein Satz:
„rechne ihnen diese Sünde nicht zu!“

Es ist auch für Stephanus eine Sünde, die ihm angetan wird. Es ist unrecht. Aber er muss so viel Liebe für sie haben, dass er nicht auf sein Recht der Rache beharrt. Als gottesfürchtiger Mensch hätte er auch das Recht zu sagen, dass Gott sich an ihnen rechen soll. Er tut es aber nicht. Sondern betet für sie. Das ist zutiefst beeindruckend.

Während der Steinigung steht Saulus dabei. Und ihm gefällt es, wie Stephanus gesteinigt wird. Danach setzt er sich ein, die Christen persönlich zu verfolgen. Und auch für diesen von Hass zerfressenen Saulus betet Stephanus. „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu!“

Wir wissen es, Jesus selber wird dieses Gebet auf eine ganz besondere Art erhören. Als Saulus auf dem Weg nach Damaskus ist, um auch dort die Christen zu verfolgen, wird er von Jesus Christus vom hohen Ross geholt. Jesus blendet ihn und fragt ihn, warum er ihn, Jesus, verfolge.  Später wird Saulus zum grössten Missionar der Christen. Die meisten Briefe im neuen Testament sind von ihm geschrieben. Sein hebräischer Name lautet Saulus und sein griechischer Name ist Paulus. Auf eine besondere Art ist er sogar einer der zwölf Apostel geworden.

Damit Paulus zu diesem Mann Gottes wurde, gebraucht Gott übrigens auch einen Leviten Namens Barnabas. Er fördert Paulus. Barnabas ist ein derart begnadigter Förderer , dass er auch mit der Zeit hinter Paulus zurücktreten kann. Dies wiederspiegelt sich sogar in der Apostelgeschichte: Anfänglich wird immer zuerst Barnabas vor Paulus oder Saulus genannt. Später dann wechselt dies und Paulus wird vor Barnabas genannt. Und wer kennt heute Paulus nicht? Aber wer kennt Barnabas? Gott kennt ihn! Später wird sogar diese barmherzige Förderungswille einen Streit zwischen Barnabas und Paulus auslösen. Paulus als Choleriker wolle einen Versager, der ihn enttäuscht hatte, nicht mehr auf eine Missionsreise mitnehmen. Barnabas bestand darauf, dass man diesen Mann weiter fördere. Schlussendlich ging Barnabas mit diesem Mann auf Missionsreise und Paulus wählte sich einen anderen Begleiter aus. Interessant ist, was aus diesem Versager geworden ist: Er hat dann später das Markus-Evangelium geschrieben. Barnabas hatte also recht behalten. Auch Paulus musste dies noch lernen… So schreibt Paulus, der von seinem Charakter her soviel mit seinem Willen glaubt erreichen zu können:

„Und er hat zu mir gesagt: Meine Gnade genügt dir, denn (meine) Kraft kommt in Schwachheit zur Vollendung. Sehr gerne will ich mich nun vielmehr meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi bei mir wohne.
Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten, an Misshandlungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Aengsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ (2. Korinther 12,9-10)

Paulus hat also von Gott gelernt, dass Gott durch seine Schwachheit wirken kann. Dass muss für einen Choleriker eine ganz schwere Erkenntnis sein. Zugleich ist es auch eine Befreiung! Und das merkt man diesem Text von Paulus an: Gott kann viel mehr, als Paulus mit seiner Kraft. Und es ist auch eine Entlastung: Paulus darf schwach sein, damit Gott wirken kann.

Und auch in der Schwachheit und Verfolgung dieser ersten Gemeinde wirkt Gott: Mit den Vertriebenen geht das Evangelium hinaus aus Jerusalem in die Welt. Und in einem gewissen Sinne hat der Ausbruch dieser Verfolgung, die Steinigung von Stephanus, schlussendlich sogar Paulus gerettet. Was für ein Mann war dieser Stephanus!

Es heisst über ihn:

Στέφανος δὲ πλήρης πίστεως καὶ δυνάμεως ἐποίει τέρατα καὶ σημεῖα μεγάλα ἐν τῷ λαῷ.

Uebersetzung laut Elberfelder: „Stephanus aber, voller Gnade und Kraft, tat Wunder und grosse Zeichen unter dem Volk.“ (Apostelgeschichte 6,8)


PS: Der Lehrer von Paulus hiess Gamaliel. Er hatte als Pharisäer eine ganz andere Haltung als sein Schüler Paulus. In Apostelgeschichte 5,34 ff wird erzählt, wie er im Hohen Rat, der damaligen Kirchenleitung (d.h. Judentum) des Alten Bundes in Jerusalem aufstand und zur Mässigung gegen die Christen aufrief. Obwohl Jesus gerade die Pharisäer so stark angegriffen hat, hatte es Gelehrte unter ihnen, die die Grösse hatten, sich die Kritik von Jesus anzuhören und es richtig einzustufen. Und das ist nicht eine kleine Leistung, da wir Menschen berechtigte Kritik für gewöhnlich nicht gerne hören und gerne aggressiv darauf reagieren.
 Im ersten christlichen Konzil der Christen in Jerusalem gab es übrigens auch viele ehemalige Pharisäer. Und auch diese stimmten dann der Lösung zu, dass die nichtjüdischen Christen nicht zuerst Juden werden müssen, bevor sie Christen werden konnten.
Als ich als Teenager Christ wurde, hätte ich eigentlich auch erwartet, dass man zuerst Jude werden müsste, um dann Christ sein zu können. Es ist eine logische Folgerung aus dem Alten Testament. Aber Gottes Logik ist noch logischer: Seine Gnade ist so gross, dass sie allen gilt, die Glauben. Juden wie Nicht-Juden. 

Nicht-Juden werden oft als Heiden oder Menschen aus den Nationen angesprochen. Das ist nicht entwürdigend. Sondern einfach eine realistische Beschreibung: Die Juden sind das physische von Gott auserwählte Volk. Abgesondert und darum auch mit speziellen Geboten geehrt, die Heiden wie ich, nicht halten müssen. Ich darf zum Beispiel Schweinefleisch essen…  So wie es wohl zu früheren Zeiten auch andere Gottesfürchtige Leute durften. Aber es gab auch eine Zeit, wo der Mensch kein Tier gegessen hat. Dies war sicherlich so vor dem Sündenfall, wo kein Tod herrschte. Offiziell erlaubt wurde das Essen von Tieren aber erst einige Zeit nach dem Sündenfall (s. Mosebücher). Interessant ist, dass die Menschheit schon lange vor dem Bund am Sinai wusste, dass es reine und unreine Tiere gab. Noah zum Beispiel war dieser Unterschied sehr klar. Es ist daher logisch, dass Gott dann später bei der „Erschaffung“ seines jüdischen Volkes sie besonders ehrte, indem er ihnen das Essen der unreinen Tiere verboten hatte. Zu diesen unreinen Tieren, wie bereits erwähnt, gehört auch das Schweinchen. 

Ueberhaupt lehrt uns Gott durch das Alte Testament viel über sich, seine Heiligkeit, seinen Himmel, seine Wertvorstellungen. In Christus wird dann dies alles erfüllt.