Freitag, 31. Mai 2013

Wer merkt schon alles, worin er sich verfehlt. (aus Psalm 19,13a Neue Genfer Uebersetzung)



„Wer kann merken, wie oft er fehlt? Verzeihe mir die verborgenen Sünden!“ (Psalm 19,13, Luther-Uebersetzung)

„Verfehlungen!  - wer erkennt sie! Sprich mich los von den verborgenen!“ (Psalm 19,13, Schlachter Uebersetzung aus Genfer Studienbibel zitiert)

In Hebräisch lauter dieser Vers:   שׁגיאות מי־יבין מנסתרות נקני׃

Leider kann ich noch nicht Hebräisch, hier die Interlinear-Uebersetzung:
“Verfehlungen wer (er) wird (kann=) wahrnehmen?  – Von-verborgenen (= unbewussten) sprich mich los!” (Psalm 19,13, aus Band 4 Die 12 kleinen Propheten, Hiob, Psalmen, Rita Maria Steuerer)

Am 28.3.13 war dies der alttestamentliche Vers aus den Losungen 2013 (283. Ausgabe der Losungen).
Dieses Wort hat mich getroffen. Der Psalmist, in diesem Fall König David, wird bewusst, dass ihm Gott noch lange nicht alle Sünden aufgezeigt hat. Gleichzeitig weiss David, dass er  von anderen Menschen, die ihre Sünden ausleben, gefährdet werden kann. Darum bittet er im nächsten Vers:

“Auch vor den Uebermütigen bewahre deinen Knecht, dass sie nicht über mich herrschen; dann werde ich unschuldig sein und frei bleiben von grosser Missetat!” (Psalm 19,14)

Tut mir jemand unrecht, besteht die Gefahr, dass ich selber Unrecht tue. Insbesondere wenn sie dauernde Macht über mich haben. Das ist eine ganz besondere Herausforderung für unser Leben. David macht es einfach und betet darum, dass dies nicht geschehen soll. Wird dürfen also darum bitten, dass sich eine solche Situation ändert – oder wie hier beschrieben, dass sie gar nicht erst eintrifft.

In den Psalmen kommt dies immer wieder vor, dass wie hier vor der Bitte zuerst die eigene Sünde bekannt und von Gott vergeben lassen wird. Dies ist ein wichtiger Grundsatz, um überhaupt die biblischen Begriffe gerecht, gerechtfertigt und gottesfürchtig zu verstehen: Die Gottesfürchtigen sind Menschen, die ihre Sünden von Gott vergeben liessen. Während gottlose Menschen jene sind, die sich ihre Sünden nicht vergeben lassen. David wird  hier sehr bewusst, was für ein Potential an Bösartigkeiten in ihm Steckt, das er sich nicht bewusst ist. In diesem Sinne sind wir Menschen seit dem Sündenfall alle gleich. „… Es ist keiner gerecht, auch nicht einer;“ schreibt Paulus im Römerbrief 3,10. 

Interessant ist, dass mir gerade dieser Woche jemand geschildert hat, er habe einmal an einen Führungskurs für Manager teilgenommen. Da waren führende Geschäftsleute eine ganze Woche in einem schönen Hotel. Jeder machte sich Gedanken über seine Lebensregeln. Danach bildeten sie Gruppen und einigten sich auf gemeinsame Werte. Dabei hat der psychologische Leiter dieses Seminars ihnen einen Spiegel vor gehalten – ohne das er irgendjemanden persönlich angegriffen hätte. 20% der Teilnehmer hielten diesen Spiegel nicht aus. Weinend verliessen sie den Saal und brachen das Seminar ab: Zu hart war die Selbsterkenntnis. Ein anderer Mann ging zu seiner Freundin und machte ihr einen Heiratsantrag, weil er merkte, was ihm wirklich wichtig war.

Mir kam das alles sehr hart vor – besonders weil der Faktor Vergebung fehlte. (s. hierzu Anhang 1)

Prinzipiell erinnert mich dies an die Feststellung von Paulus im Römerbrief:

„Wenn nämlich Heiden (gemeint Nicht-Juden), die das Gesetz nicht haben, doch von Natur aus tun, was das Gesetz verlangt, so sind sie, die das Gesetz nicht haben, sich selbst ein Gesetz, da sie ja beweisen, dass das Werk des Gesetzes in ihre Herzen geschrieben ist, was auch ihr Gewissen bezeugt, dazu ihre Ueberlegungen, die sich untereinander verklagen oder auch entschuldigen – an dem Tag, da Gott das Verborgene der Menschen richten wird, laut meinem Evangelium, durch Jesus Christus.“ (Römer 2,14-16, Schlachter Uebersetzung) 

Können Menschen, auch Menschen die den Heiligen Geist nicht haben, solche Selbsterkenntnis erlangen? Paulus bejaht das hier. Am Schluss betont er, dass dies sicherlich beim Endgericht stattfinden wird. Ich gehe also davon aus, dass wir nach unserem Leben vor Gott stehen werden und unser eigenes Gewissen wird uns verteidigen oder anklagen. Dabei wird wohl unser Gewissen von menschlichen selbstverliebten Gedanken gereinigt und wir sehen uns so, wie wir wirklich sind. Wenn uns dann unser Gewissen anklagt, können wir uns nirgends mehr verstecken. Darum ist es besser, heute und jetzt schon für unsere Sünden Busse zu tun – auch für jene, die wir gar nicht kennen. Hier auf der Erde können wir erleben, dass uns die Selbsterkenntnis zu Boden drückt und dann das Evangelium, die Frohe Botschaft wieder auf die Beine stellt. Gestorben und Auferstanden.
Das ist Gnade: Ohne unsere Leistung von Gott mit seiner  Vergebung, Rechtfertigung, seiner Adoption als Gottes Kind beschenkt zu werden, weil er, Gott selber die ganze Leistung erbracht hat. Jesus tat dies alles für mich und Dich, weil er Dich selbstlos liebt. Er würde für Dich sterben, um Dir zu helfen. Und er starb, um Dir zu helfen.

Da ist kein Raum mehr für Selbsterlösung. Jesus Christus hat dies alles bereits am Kreuz getan. David, als er diesen Psalm schrieb, wusste vermutlich noch nicht so klar, dass sein Gott sich selber opfern wird, um ihm seine Sünden zu vergeben: Jene Sünden die ihm bewusst sind und jene die ihm nicht bewusst sind. Ich denke aber, der Heilige Geist schenkte ihm doch einzelne Hinweise darauf. Man lese hierzu nur seine Psalmen.

Im Willow Magazin 2/13 wird ein Interview mit einem presbyterianischen Prediger, also einem reformierten Pastor, von der Menlo Park Presbyterian Church in Kalifornien abgedruckt: Herr John Ortberg. Unter anderem deutet er auch auf seine Sündhaftigkeit beim Predigen hin, wenn er sagt:

„Wenn ich predige, habe ich immer ein Vielzahl von Wünschen. Ich möchte Gottes Wort verkündigen, aber natürlich möchte ich auch bei meinen Zuhörern Eindruck machen, damit ich nach der Predigt ein gutes Gefühl habe. Es ist also eine Mischung aus Egoismus gepaart mit dem Wunsch, Gott zu dienen. Diese Mischung wird uns ein Leben lang begleiten.“

Dieser Pastor hat eine sehr gesunde Haltung. Man stelle sich vor, er würde dem selbstverliebten Wahn verfallen, er handle immer unegoistisch. Er sei durch die Gnade Gottes rein und handle nur noch heilig. Dies zeugt jenen unangenehmen Geruch der religiösen Selbstgerechtigkeit, jenes „Frömmele“, wie man im Schweizerdeutschen sagt. Damit möchte ich in keiner Art die Vergebung von Gott schmählern. Ganz und gar nicht. In Christus haben wir alles. Ohne ihn haben wir nichts. Es ist auch hier wieder, der „schon jetzt und noch nicht Aspekt“. In Christus sind wir Heilige. Als Männer und Frauen sind wir Priester Gottes, die einen direkten Zugang zum Heiligtum haben, wo wir unsere Dankopfer und Fürbitteopfer im Gebet bringen. Dennoch sind wir auch noch Sünder. Auch unsere Welt lebt in dieser Zwischenzeit, wie es ein neueres Lied so schön sagt: Gottes Reich ist mit dem ersten Kommen von Jesus angebrochen, in geistlicher Weise. Gleichzeitig ist das Alte noch nicht vergangen. Immer noch sterben wir. Immer noch gibt es Hass und Krieg. Aber in Christus ist dies alles überwunden. 

Luther sagte es so: Simul iustus et peccator! Auf Deutsch: Zugleich gerecht und Sünder! 

John Ortberg geht in seinem Interview vor allem auf unsere Emotionen ein. Obwohl die Zeitschrift andeutet, dass es hier verschiedene Meinungen gibt, kann ich Ortberg völlig zustimmen: Gott hat uns mit Emotionen geschaffen. Vor dem Sündenfall waren sie gut. Seit dem Sündenfall besteht, wie für alles andere die Gefahr, dass sie pervertiert werden. Die Perversion dieser Emotionen lässt viele Christen vor ihr zurückschrecken. Dabei bedeutet der lateinische Begriff motio Bewegung. Dies bedeutet, dass uns Emotionen in Bewegung setzten. Denn Emotionen sind eine Art Sehnsucht.  Am Schluss bringt er ein Bild dazu aus dem Buch „Die Grosse Scheidung“ von C.S. Lewis (Das Buch habe ich auf diesem Blog ebenfalls kurz beschrieben). Ich zierte hierzu Ortberg:

„Die Frage, die ihm so zu schaffen macht, lautet also: „‘Werde ich diese verzerrte Sehnsucht aufgeben oder nicht?‘ Aus purer Verzweiflung und Ekel vor sich selbst sagt er schliesslich: „Also gut, töte sie!“ Der Engel tut es, die gespensterhafte Person und die Eidechse stürzen zu Boden (= Eidechse Symbol der Sehnsüchte, die die Person verführt haben). Es scheint alles zu ende. Aber dann wird der Mann zum Leben erweckt, und die Eidechse wird nicht nur ebenfalls wieder lebendig, sondern in einen wunderschönen Hengst verwandelt. Der Mann schwingt sich auf den Hengst und beide reiten ins Leben hinein.
Die Moral von der Geschichte: Für die Sehnsucht ist der Himmel verschlossen. Wird sie aber Gott ganz hingelegt und durch Busse zerbrochen, wird etwas so wunderbares und Erhabenes daraus, wie wir es uns heute kaum vorstellen können.“ (Soweit John Ortberg, Pastor der Menlo Park Presbyterian Church in Kalifornien. Am 6. – 8.2.2014 wird er in Leipzig am Leitungskongress sprechen.)

Dieser Zerrbruch erinnert mich an folgende Aussage von John Bunyan:
„Bevor wir versucht werden, glauben auch wir, dass wir über das Wasser laufen können, doch wenn der Wind anfängt zu wehen, dann merken wir, dass wir sinken …Doch sollte es uns nicht zum Guten dienen? Ohne das Wirken der Hand Gottes in unserem Leben können wir nicht leben. Wir würden mit Fleisch überwuchert sein, wenn wir nicht durch manche Winter gehen müssten.“ (Zitiert von John Piper in seinem Büchlein : Standhaft im Leiden, Seite 20).
Dieses Buch ist übrigens sehr zum Lesen zu empfehlen. Ich habe erst Ausschnitte davon gelesen, ebenso meine Frau. Aber sie hat schon eine ganz neue Sicht zum Thema Leid dadurch erhalten.

Zum Abschluss noch Frage 6 aus dem Heidelberger Katechismus (Diese könnte in diesem Zusammenhang auftauchen. In Klammern sind der biblische Bezug zur Antwort gegeben.):
Hat denn Gott den Menschen so böse und verkehrt erschaffen?
Nein.                                                             (1. Mose 1,31)
Gott hat den Menschen gut
und nach seinem Ebenbild erschaffen,
das bedeutet:                                                 (1. Mose 1,26.27)
wahrhaft gerecht und heilig,
damit er Gott, seinen Schöpfer,
recht erkenne,
von Herzen liebe                                           (2. Kor, 3,18)
und in ewiger Seligkeit mit ihm lebe,          (Kol 3,10)
ihn zu loben und zu preisen.                         (Eph 4,24)

Die nächste Frage behandelt die Frage, warum dieser Zustand nicht mehr so ist.
Wenn wir Gott darum bitten, wird er uns den Heiligen Geist schenken, der uns das richtig erklärt. Dann werden wir die Zusammenhänge in der Bibel richtig verstehen. Johannes Calvin schreibt zu Beginn seiner Institutio dass die Selbsterkenntnis und die Gotteserkenntnis sich gegenseitig fördern. Er weiss nicht, was zuerst ist. Aber die Gotteserkenntnis macht uns Gottes Heiligkeit bewusst. Je mehr wie diese Erkennen, werden wir über unsere Mankos bewusst: Selbsterkenntnis. Diese Selbsterkenntnis macht uns bewusst, wieviel grösser noch die Barmherzigkeit und Liebe Gottes zu uns sein muss, dass er uns so grundlos liebt: Das ist wieder Gotteserkenntnis.
Dies fördert unsere liebevolle Beziehung zu Gott. Darum kann Calvin in Insitutio I,5,3 sagen:
„Und es wird sich niemand Gott aus freien Stücken und willig in Gehorsam unterwerfen, der nicht seine väterliche Liebe geschmeckt hat und dadurch gereizt wurde, ihn zu lieben und ihm zu dienen.“
Jesus Christus sagte es so:
„Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern Ewiges Leben hat.“ (Johannes 3,16)



Anhang 1:
Ich war ganz erstaunt, dass alleine die Selbsterkenntnis noch nicht zum Heil führt. Judas zum Beispiel wurde nach seinem Verrat an Jesus, sehr bewusst, was er falsch getan hatte. Er selber konnte damit nicht fertig werden. Daher erhängte er sich. Das bedeutet, die Selbsterkenntnis kann uns tief herabziehen. Darum weichen wir ihr für gewöhnlich auch aus. Es ist eine Art Selbstschutz. Wir suchen andere Gründe, um uns zu entschuldigen. Eine Taktik ist es, die eigene Verantwortung auf andere abzuwälzen. Dies geschieht nicht nur in zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern auch in der hohen Politik. Es gibt Länder, die verbieten über die Verbrechen ihrer Vergangenheit öffentlich zu diskutieren. Die vergangene DDR behauptete, dass sie nichts mit den Nazi-Verbrechen zu tun gehabt hätten, während die BRD Verantwortung übernahm. Ich bin überzeugt, dass konnte die BRD nur, weil wieder christliche Werte sie dazu befähigten: Sündenerkenntnis UND Vergebung.
Ein berühmter Deutscher sagte es so:
„Mir ist es bisher wegen angeborener Bosheit und Schwachheit unmöglich gewesen, den Forderungen Gottes zu genügen.
Wenn ich nicht glauben darf, dass Gott mir um Christi willen dies täglich beweinte Zurückbleiben vergebe,
so ist’s aus mit mir.
Ich muss verzweifeln.

Aber das lass ich bleiben. Wie Judas an den Baum mich hängen, das tu ich nicht.
Ich hänge mich an den Hals oder Fuss Christi wie die Sünderin.
Ob ich auch noch schlechter bin als diese,
ich halte meinen Herrn fest.

Dann spricht er zum Vater:
Dies Anhängsel muss auch durch.
Es hat zwar nichts gehalten und alle diene Gebote übertreten,
Vater,
aber er hängt sich an mich.
Was will’s. Ich starb auch für ihn. Lass ihn durchschlüpfen.

Das soll mein Glaube sein!*
Martin Luther



Montag, 20. Mai 2013

Ach, Herr, Wie lange noch?

Ach, Herr, Wie lange noch?
Gedanken über das Leiden und andere Nöte

von D.A. Carson



Es ist ein sehr gutes Buch, wenn man sich intensiver in das Thema Leid eindenken möchte.  Der Autor schreibt selber "Es soll vor allem vorbeugende Wirkung haben. Zu den Hauptursachen der seelischen Erschütterung und Verwirrung, die unter Christen anzutreffen sind, zählen zweifellos falsche Erwartungen. Wir denken erst dann mit dem gebotenen Ernst über Nöte und Leiden nach, wenn wir selbst davon heimgesucht werden. Stehen dann unsere tief verwurzelten, aber nicht hinreichend durchdachten Ueberzeugungen nicht weitgehend mit dem Gott in Einklang, der sich in der Bibel vor allem in Jesus offenbart hat, dann kann sich unser Schmerz so sehr verschlimmern, dass wir auch noch die Grundlagen unseres Glaubens anzweifeln" (Seite 7)
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Es ist ein etwas älteres Buch. Der Originaltitel erschien 1990 als How long, O Lord?
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Zur weiteren Vertiefung empfiehlt er folgende Bücher:

C.S. Lewis über den Schmerz    
     Dieses Buch findet keine uneingeschränkte Zustimmung von den Lesern.
C.S. Lewis über die Trauer      
     Dieses Buch ist geschrieben nach dem Tod seiner Ehefrau. Es hat grosse Zustimmung sicher. 
Alvin J. Plantinga, God, Freedom and Evil
Grand Rapids: Eerdmans, 1974
Die Existenz Gottes. 1987
Stephen T. Davis, «The Problem of Pain in Recent Philosophy» und weitere, s. Seite 20: unter 4
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Uebersicht der Titel des Buches:


Vorwort  7
Erster Teil: Zum Nachdenken über das Leiden und das Uebel
1. Erste Schritte  13
2. Falsche Schritte  21
Zweiter Teil: Einzelteile des Puzzlespiels
Biblische Themen für leidende Menschen  41
3. Der Peis der Sünde  42
4. Gesellschaftliche Uebel, Armut, Krieg, Naturkatastrophen   52
5. Das leidende Gottesvolk  69
6. Flüche, heilige  Kriege – und die Hölle  90
7. Krankheiten, der Tod und Trauerfälle  105
8. Aus dem Blickwinkel der Ewigkeit betrachtet  129
9. Hiob: Mysterium und Glaube  148
10. Der leidende Gott  176
Dritter Teil: Ein Blick auf das Gesamtbild
11. Das Geheimnis der Vorsehung  195
12. Die Vorsehung als Trost: Vertrauen lernen  229
13. Einige seelsorgerische Ueberlegungen  246
Anhang: Gedanken über Aids  252
Bibelstellenregister  266 


 Das Buch selber bietet eine gute Grundlage für weitre Studien zum Thema Leid. Die ersten 12 Kapitel sind daher ein gedankliches Ordnen der ganzen Problematik. Im 13. und letzten Kapitel gibt er sehr nützliche seelsorgerliche Tipps.

Einige Beispiele:

"Trauernde bedürfen oftmals eines langwierigen Heilungsprozesses. So habe ich beispielsweise Eltern kennengelernt, denen der Tod eines Kindes einen dermassen schweren Schock versetzte, dass es mehrere Jahre dauerte, bis sie gefasst darüber sprechen konnten."
"Leidet jemand, so kann man ihn häufig am effektivsten dadurch trösten, dass man in seiner Nähe bleibt, ihm hilft, schweigt und mit ihm trauert. Wer einem Leidenden bei der Garten- oder Hausarbeit hilft, der verhält sich möglicherweise geistlicher als jemand, der ihm Andachten hält oder ihn mit Bibelworten überhäuft. Die Schrift selbst mahnt uns: "Trauert mit den Trauernden" (Römer 12,15).
"Wollen wir jemanden verbal ermutigen, dann sollten wir nicht immer davon ausgehen, dass es auf ein unausgesprochenes "Warum?" zu antworten gilt. Nicht jeder stellt diese Frage. Manche Menschen, die der Ermutigung bedürfen, haben es nur nötig, dass wir sie an einfache Wahrheiten erinnern. Sie brauche keine tiefsinnigen Antworten.
Sind verbale Antworten auf die peinigende Frage nach dem Warum erforderlich, so wird der Inhalt wie der Tenor unserer Aeusserungen von dem abhängen, was man als unsere 'geistliche Diagnose' bezeichnen könnte - von unserer Einschätzung der Bedürfnisse und des geistlichen Fassungsvermögens des Leidenden. Wenn einige Menschen "Warum?" rufen, ist das nicht als Frage aufzufassen. Sie suchen einfach Trost. Andere stellen tatsächlich Fragen, können jedoch im Augenblick nur die allerkürzeste Antwort vertragen. Stellt ein Christ, den ich nicht sehr gut kenne, eine solche Frage, dann antworte ich meist: ...." (Seite 247 - 248)

 Er geht in seinem Buch auch auf die Allmacht Gottes und unsere Verantwortung ein Und natürlich auf die grosse Frage, wie ein allmächtiger Gott Leid zulassen kann. Er analysiert verschiedene Theodizeen. Dabei stellt er fest, dass diese Theodizeen, also die Verteidigungen, warum Gott nicht für das Leid verantwortlich sein sollte, immer nur einen Theismus, also einen reinen Gott glauben verteidigt. Sie beziehen in ihre Ueberlegungen nie ein, was denn das Leiden von Jesus Christus, Gott selber zu diesem Thema zu sagen hat. Als weiterer Trost zum Thema Leiden erklärt er seinen Begriff der "Vereinbarkeitsthese". Er definiert diesen folgendermassen:

"1. der allmächtige Gott waltet souverän und frei, doch wirkt sich seine Herrschaft niemals so aus, dass dabei die Vernatwortung des Menschen beschnitten, minimiert oder gänzlich aufgehoben würde.
2. Menschen sind moralisch verantwortliche Wesen -sie treffen sinnvolle Entscheidungen, rebellieren, gehorchen, glauben, widersetzen sich usw. und werden zu Recht für diese Handlungsweisen verantwortlich gemacht: Dies wirkt sich jedoch nie so aus, dass Gott dadurch eingeschränkt würde." (Seite 197)

Für unser menschliches Fassungsvermögen nicht ganz fassbar. Aber es gibt ja viele solche Wahrheiten, in der Wissenschaft, wie in der Bibel. Wie könnte es auch anders sein, wenn wir über Dinge nachdenken, die weit unser Denken überragen. Wie sollen wir nur Gottes Persönlichkeit fassen können, die nicht an Zeit und Ort gebunden ist? Wir kennen ja ansonsten nur Persönlichkeiten die auf Zeit und Ort begrenzt sind. Aber Gott ist persönlich und gleichzeitig transparent. Daher kann Carson schreiben: "Das von der Vereinbarkeitsthese aufgeworfene Problem lässt sich letzten Endes auf einige uns unbekannte Aspekte des Wesens Gottes reduzieren." (Seite 215) Für uns wichtig zum Thema Leid ist es aber, dass Gott immer noch stärker ist und wer an ihm bleibt, durch alles Leid getragen wird, auch wenn wir vieles nicht verstehen können.

Seite 122 sagt er zu dieser Art Trost: "Was wir also brauchen, ist persönliche Gotteserkenntnis, denn nur sie wird uns tragen, wenn jede andere Stütze bricht. Es bedarf aber, um sie zu erlangen, der Disziplin inbrünstigen Gebets, anhaltenden Nachsinnens über das Wesen Gottes, wie es uns in seinem Wort offenbart ist, sowie der Gegenwart und Kraft des auferstandenen, der durch seinen Geist in uns wirkt (Epheser 1,18 ff; 3,16-17a; Philipper 3,10), "damit Christus durch den Glauben in (unserem) Herzen wohne" (Epheser 3,17).
Hier liegt auch ein Grund für seine theoretischen Erläuterungen: Sie sollen den Rahmen, das Gerüst unseres Glaubens festigen, dass uns dann in der Not stützen kann. Von Römer 5, 1 -3 schreibt er sogar, dass es sich hier um eine Theologie des Leidens handelt. Hierzu eine kleine Zusammenstellung:

Unsere Hoffnung ist eine sichere Zukunftsperspektive (Römer 5,1-3)
 Römer 5,3 ist eine «Theologie des Leidens»
Leiden in Verbindung mit dieser Hoffnung bewirkt Ausdauer, Bewehrung (dokimé = Bewährtsein). Diese Bewehrung lässt unsere Hoffnung aufblühen: Die Vorfreude auf die Herrlichkeit Gottes (Vers 2).
Der Heilige Geist selber (s. Römer 8) ist für diese Hoffnung die Anzahlung.
Epheser 3,14-21, insbesondere V. 17b-19: Es ist wichtig, dass wir diese Liebe Gottes erleben!
Es gibt eine Reife, die nur durch Leiden erlangt werden kann. (S. 78)

Wir merken, dass Leiden in diesem Sinne eine besondere Berufung sein kann. Es gibt Menschen, die in ihrem Leiden und wie sie damit umgehen grosse Glaubenshelden sind. Oft werden sie nicht auf die Bühne empor gehoben und gross gefeiert. Normalerweise stehen sie mit wenigen treuen Begleitern alleine ihren Mann oder Frau im Glauben. Schlimm kann es nun werden, wenn es theologische Konzepte gibt, die hinter jeder Krankheit und jedes Leiden eine Sünde oder zuwenig Glauben vermuten. Dieses Thema wird ja in der Bibel selber sehr eingehend behandelt und es ist erstaunlich, dass solche verwirrende Konzepte entstehen können. Man denke an das Buch Hiob im Alten Testament, wo gerade solche falsche Konzepte am Ende des Buches von Gott selber verdammt werden. (Gott vergibt ihnen, nachdem Hiob für sie eintritt. Gleichzeitig heilt er dann Hiob!) Oder man denke an Jesus, der auf die Frage antwortet, warum jemand ein Leiden hat, dass weder er noch sein Vater eine Schuld getragen haben, sondern er leidet, damit Jesus an ihm ein Wunder machen kann. Es gibt also sehr viele verschiedene Gründe für Leiden und mit Vorverurteilungen geraten wir sehr schnell ins Unrecht.

Die ganze Thematik geht Carson sehr gut nach, u.a. im Kapitel Flüche, heilige Kriege - und die Hölle ab Sete 90.
Auf Seite 85 weist er darauf hin, dass gerade Leiter leiden mussten und müssen. "Wie könnte es auch anders sein? Dienen wir doch einem gekreuzigten Messias!" (Seite 85) Wieviele unserer heutigen Leiter sind sich dessen bewusst? Wieviele verwechseln christliches Dienen mit Herrschen und Selbstverwirklichung? Wenn jemand glaubt, dass dies keine berechtigte Frage wäre, bitte ich diese Frage einem christlichen Leiter zu stellen. Seine Reaktion gibt oft eine eindeutige Antwort. Die Liebe erträgt ... Und ich selber muss mich fragen, war ich nicht auch schon zu sehr enttäuscht, anstelle die Probleme als Wachstumsschub zu begreifen? Leiter die den geistlichen Zerrbruch nicht erlebt haben und weiterhin in diesem Bewusstsein leben, verletzten mit ihrer grösseren Machtausübung, ohne dass sie es merken, weil es ihnen an Einsicht, Demut und Mitgefühl fehlt. Leider ist dieses Manko nicht einfach mit Disziplin erlernbar und darum auch nicht einfach einforderbar. Vielleicht ist es zum Teil mit Geduld und Zuhören möglich, sich diese Fähigkeit anzueignen? Wirklich gründlich lehrt dies Gott durch den Zerrbruch, das heisst durch Leiden. Man darf sich hier gerne die grossen Vorbilder der Bibel und auch der Kirchengeschichte ansehen. Die barmherzigsten Väter des Glaubens waren Menschen die durch Leiden gingen und für die anvertrauten Menschen litten. Liegt hier wohl der Grund, warum die Gemeinde durch Aelteste, also Menschen die durch das Leben mit Gott, inklusive Leiden, gereift sind, geleitet werden sollten?
Er berichtet auch von einem geistlicher Leiter, den er achtet und glaubt, dass er im Prinzip biblische Wahrheiten predigt. Nur hat er den Rahmen für das Leiden zu eng gesetzt. Wir kennen sicherlich viele solche Christen, die glauben, wenn man richtig glaubt, geht es finanziell und gesundheitlich nur immer aufwärts. Diese Versionen gibt es auch weniger ausgeprägt. Bleiben tut aber immer der Beigeschmack, dass besonders gesegnete Christen nicht leiden müssten. Gerade dieser Lehrer, von dem Carson überzeugt ist, dass er sehr ehrlich ist, wurde von Gott später in eine Tiefe des Leidens geführt, indem dann seine eigene Bewegung nicht mehr folgen konnte. Aber dieser Leiter war ehrlich, als ihm Gott seinen Rahmen vergrösserte, passte er auch seine Verkündigung an. Das konnte Carson, als er dieses Buch 1990 schrieb noch nicht wissen. Es zeigt, wie Carson hier mit seiner Einschätzung richtig lag. (Das ist an älteren Büchern besonders kostbar, man kann auch geschichtliche Entwicklungen miteinbeziehen.)

Das Buch ist wirklich zu empfehlen. Ein Theologe bestätigte mir auch, dass für ihn grosse Bedeutung erlangt hat. Es bildet eine gute Grundlage, um sich mit dem Leiden auseinander zu setzen. 

Mit fällt immer wieder auf, wie komplex alles ist. Luther soll sich ja darüber genervt haben. Aber Gott hat uns in eine sehr komplexe Welt gestellt. Alleine die Erforschung der erschaffenen Welt ist unfassbar. Trotz unserer Millionen oder gar Milliarden an Forschungsgeldern sind immer noch so viele Fragen offen. Ja, werden Fragen beantwortet, dann eröffnen sich Dutzend neue Fragen. Wie ist es dann erst bei einem Thema wie dem Leid. Oder der noch grösseren Frage über Gott. Einfach unfassbar. Und dennoch dürfen wir mit der von Gott gegebenen Intelligenz uns an diese Fragen wagen. Paulus schrieb im 1. Kor. 13, dass wir wie Kinder sind. Wir sehen wie in einem antiken Spiegel (der damals trüb war), die Wahrheit. Wie Kinder, die von ihren Eltern Wahrheiten hören, die für sie zum Teil noch zu hoch sind. Dennoch können wir Dinge erfassen. Denn auch ein Kind merkt, wann es geliebt wird. Auch ein Kinde merkt, wann Dinge wahr oder nicht wahr sind. Und dies zu erleben ist ja auch wieder eine Art Freude. Mehr zu begreifen, zu verstehen ist so süss und macht glücklich. Mir jedenfalls geht es so.










Ein Bild von Thimoty Keller, Donald A. Carson und John Piper. Bild von : theogospelcoalition.org

Mich ermutigt vorallem, die Tatsache, dass Jesus selber für uns  gebetet hat:
"Ich bitte aber nicht für diese allein, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben werden,
auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; auf dass auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hat."  (Johannes 17,20-21)
".. ich in ihnen und du in mir, damit sie zu vollendeter Einheit gelangen, unddamit die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, gleichwie du mich liebst." (Johannres 17,23)
Gott der Vater liebt uns so sehr, wie er seinen Sohn: Gottes Sohn liebt. Was für eine Würde!!!!!!!